18. April 2008
Eremiten heute – Interview mit einer Eremitin
Für die ältesten Lebensformen eines gottgeweihten Lebens stehen die Eremiten. Derzeit leben im deutschsprachigen Raum rund achtzig von ihnen. Unter der Überschrift »Eremiten heute – die älteste Form gottgeweihten Lebens zieht an« führte der Nachrichtendienst ZENIT ein Interview mit der Diözesaneremitin Maria Anna Leenen über diese Lebensform und ihre Herausforderungen, das wir hier mit freundlicher Erlaubnis widergeben.
Die Eremitin
Maria Anna Leenen (* 1956) lebt als Eremitin in einer Klause in Ankum im Bistum Osnabrück. Sie verfasste mehrere Bücher, darunter Mit dem Herzen im Himmel, mit den Füßen auf der Erde. Sieben Berufungsgeschichten und Einsam und allein? Eremiten in Deutschland, die im St. Benno Verlag Leipzig erschienen sind. 2006 kam eine erweiterte und überarbeitete Ausgabe des Buches über die Eremiten bei Aschendorff in Münster heraus. Es wirft ein Schlaglicht auf das eremitische Leben und bietet Porträts heute lebender Eremiten, ein wenig Spiritualität und Kirchenrecht.
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Das Interview
ZENIT: Maria Anna Leenen, was ist ein Eremit?
–Maria Anna Leenen: Der Eremit ist ein Mensch, der Gott sucht in Stille und Zurückgezogenheit. Er setzt sich Gott aus und er setzt sich auch sich selber aus. Eremitisches Leben ist ein Leben des Gebetes und der Kontemplation als Einzelner, ohne stützende Gemeinschaft.
ZENIT: Wie viele Eremiten gibt es zurzeit in Deutschland?
–Maria Anna Leenen: Genaue Zahlen gibt es bis jetzt nicht. Ich schätze, es dürfte im deutschsprachigen Raum momentan so um die 80 Eremiten und Eremitinnen sein, alles zusammen.
ZENIT: Das ist eine stolze Zahl für eine so radikale Lebensform!
–Maria Anna Leenen: Ja, wir haben etwa seit den 70 ziger Jahren in Deutschland, bzw. im deutschsprachigen Raum ein konkretes Anwachsen dieser alten aber auch neuen Lebensform. Ein Trend übrigens, der weltweit zu beobachten ist.
Für mich ist besonders die außerordentliche Bandbreite der verschiedenen Ausprägungen der eremitischen Lebensweise faszinierend. Nicht nur die unterschiedlichen Anwege zu diesem Leben, sondern auch die Gestaltung.
ZENIT: Welche Unterschiede gibt es denn in den Lebensformen?
–Maria Anna Leenen: Zum einen die beiden, ich möchte mal sagen, grundsätzlichen Formen des Diözesaneremiten und des Ordenseremiten. Diözesaneremiten fallen kirchenrechtlich unter den c. 603 des Kirchenrechtes, der direkte Vorgesetzte ist der Diözesanbischof. Ordenseremiten unterstehen ihrem Abt oder dem Oberen ihres Konventes, zu dem sie gehören und unterstehen damit natürlich auch dem Partikularrecht des Ordens, bzw. der Kongregation.
Der Diözesaneremit ist für seinen Lebensunterhalt komplett selbst verantwortlich, der Ordenseremit gehört weiterhin der Gemeinschaft an und wird, zumindest was die Sozialabgaben und so weiter angeht, vom Kloster mitgetragen.
ZENIT: Maria-Anna, was halten Sie für das wesentliche Element der eremitischen Spiritualität? Gibt es da einen Bereich, einen Schwerpunkt?
–Maria Anna Leenen: Das in Kurzform zu beschreiben ist natürlich schwierig. Ich glaube, das Wesentliche, die Gottsuche in diesem kontemplativen Leben heute, heißt vor allem, sich diesem Gott auszusetzen, sich dem Gottesverhältnis zu stellen. Meinem eigenen natürlich, dann dem der Menschen allgemein, der Menschen heute, vor allem zuzulassen, dass die polierten Fassaden zerbröckeln und die ganze Schwachheit und Jämmerlich des Menschen zu Tage tritt und darin zu erkennen, wie erlösungsbedürftig wir sind, wie angewiesen auf Ihn, wie sehr wir auch verlangen nach einer tiefen vertrauensvollen Beziehung zu Gott, zu Jesus Christus.
Der Weg des Eremiten ähnelt dabei einer Wanderung durch die Wüste mit Hunger und Durst, mit Sandstürmen und Angriffen von Schlangen und Skorpionen, um einmal diese Bild zu gebrauchen. Aber inmitten der Wüste, inmitten aller Trockenheiten und Stürme liegt eine Oase. Der Ort Seiner Gegenwart mit dem Leben spendendem Wasser des Heils. Dahin geht der Weg des Eremiten. Und der Eremit geht ihn allein, aber nicht für sich selbst. Er geht ihn für alle, die sich danach sehnen, diese Quelle zu finden. Ob sie es wissen oder nicht.
ZENIT: Wie sieht nun aber die Gestaltung ihres Tages, ihre Gebetszeiten aus? Wir verdienen Sie sich das notwendige Geld?
–Maria Anna Leenen: Wenn ich meinen Lebensunterhalt selbst verdienen muss und dabei aber die Zurückgezogenheit und den Geist des Gebetes wahren will, kommen nicht allzu viele Arbeiten in Frage. Auch wenn wir sehr einfach und auch oft sehr arm leben, müssen in Deutschland doch eine Reihe von Dingen bezahlt werden, die dem Abbas Antonios, dem Urvater der Eremiten, nie in den Sinn gekommen wären. Das erfordert, dass die Klause verlassen werden muss, dass viele Kontakte dazu kommen, dass die Arbeitszeit bei einer Tätigkeit außerhalb der Klause sich nicht unbedingt mit dem Rhythmus der Gebetszeiten verträgt. Und auch oft genug die Sorge, ob das Geld trotz aller Sparsamkeit reicht.
Das stellt noch einmal besondere Anforderungen an Sammlung und Konzentration, an die Disziplin und letztendlich auch an die Robustheit, an die Kraft zum Durchhalten jedes Einzelnen.
Ich schreibe Bücher und Artikel für verschiedene Zeitungen und Ordenszeitschriften, zum Beispiel für den „Wegbereiter“, der Zeitschrift für kirchliche Berufe, die von den Salvatorianern in München gemacht wird. Und ich verziere Kerzen. Alles ist eingebunden in einen strikten Gebetsrhythmus, der den Tag prägt. Zudem versuche ich mit einem Wort der Schrift im Herzen den ganzen Tag umzugehen, es in meinem Herzen zur Nahrung werden zu lassen. Die alten Wüstenväter- und Mütter nannten diese Gebetsform das Ruminatio.
ZENIT: Sie haben ja auch ein Buch über Eremiten in Deutschland geschrieben. Welche Intension steckte hinter dem Buch?
–Maria Anna Leenen: Ich wollte einmal selber auf die Suche gehen, wo und wie an anderen Orten eremitisch gelebt wird. Es war also auch eine Art Reflexion der eigenen Lebensform. Und ich habe versucht, ein kleines Netz zu knüpfen unter uns. Die Idee kam so während der Recherche und der Arbeit am Buch. Es war sehr, sehr spannend zu sehen, wie die Reaktionen waren und wie sich das irgendwann verselbstständigte. Das Buch hat unter uns viele gute und hilfreiche Kontakte geknüpft, was mich sehr gefreut hat.
ZENIT: Woran arbeiten Sie zurzeit?
–Maria Anna Leenen: Im Moment bin ich dabei, ein Buch über eremitische Spiritualität heute zu schreiben. Ich versuche aufzuzeigen, was die Schlagwörter Einsamkeit, Buße, Schweigen für einen Kontext heute haben. Und was sie für eremitisches Leben heute bedeuten, worin der Dienst des Eremiten besteht, also: was soll diese Leben eigentlich. Unser Leben ist ja keine Kuschelecke mit dem lieben Jesulein nur für das Heil unserer eigenen Seele!
ZENIT: Gibt es da schon einen Titel? Und wo wird das Buch erscheinen?
–Maria Anna Leenen: Als Arbeitstitel habe ich gewählt: „sich aussetzen. kämpfen. Gedanken zur eremitischen Spiritualität heute.“ Der Verlag Aschendorff ist auch an diesem Buch sehr interessiert.
ZENIT: Was muss jemand mitbringen, der ihre Lebensform teilen möchte?
— Maria Anna Leenen: Eine klare Berufung, die über lange Jahre geprüft werden sollte! Gute physische und psychische Konstitution, tiefe Freude am Gebet und keine weltflüchtigen Gedanken oder die Ansicht, dass eremitisches Leben höher zu bewerten sei als andere Formen der Nachfolge. Und er sollte schon etwas älter sein. Im Weltkatechismus steht ein wunderbarer Abschnitt zu unserer Lebensform. Da ist eigentlich im Konzentrat alles enthalten: „Sie, die Einsiedler zeigen jedem das Innere des Mysteriums der Kirche auf: die persönliche Vertrautheit mit Christus. Den Augen der Menschen verborgen, ist das Leben des Eremiten eine stille Predigt Christi. Der Einsiedler hat sein Leben ganz Christus übergeben, weil dieser für ihn alles ist. Es ist eine besondere Berufung, in der Wüste, im geistlichen Kampf, die Herrlichkeit des Gekreuzigten zu finden.“ (Weltkatechismus 921)
Das Interview führte Angela Reddemann
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Lesermeinungen
5 Kommentare zu “Eremiten heute – Interview mit einer Eremitin”
Was sagen Sie dazu?
Spannendm sehr spannend. Bin auch seit kurzem Eremitin mit erzbischöflichem Segen, zudem seit einigen Jahren schon virgo consecrata nach can. 604 CIC. Fühle mich total geführt, habe jetzt alles, was zu mir passt – das sagen sogar mir vertraute Menschen 🙂 Ich kann bestätigen, dass der Weg sehr offen und individuell gestaltbar ist – dass es aber wichtig ist, nur auf IHN und auf sonst niemanden zu hören. Sonst kann es passieren, dass andere sich über einen hinweg durch diesen Weg selbst verwirklichen wollen … Dabei sollte jede/r seinen eigenen Weg finden und gehen, wie ich meine. Ich bin von Herzen dankbar und wünsche es jedem, ebenfalls nach dem passenden Weg zu suchen und ihn in Treue zu gehen.
Stellvertretend für das Heil der Welt zu beten und zu büßen ist eine große Aufgabe, die aber auch viel Freude macht.
Gott segne uns alle!
Auch ich bin eine Eremitin, die zwar in der Großstadt lebt – und vor 30 Jahren die Jungfrauenweihe empfangen hat. Mein Leben gestaltet sich als Eremitin „in der Großstadt“. Beten wir miteinander. Ihre Elke Peters; ovc.
Wie es scheint, sind wir deren viele die in der Stille
Und Einsamkeit leben. Ich lebe schon über
Sieben Jahre ein eremitisches Dasein und
Sosein. Im Gebet für die Menschen und die Natur..
Freue mich sehr, dass wir deren viele sind.
Lässt uns danken, herzlich aus den Südalpen
MoHe
auch ich lebe eremitisch in der Welt seit meiner Gelübde vor dem Bischof 2014 und bin mit meiner Lebensweise sehr glücklich. Ich bin ganz alleine , aber eben nicht einsam wie ein Mensch ohne Glauben und mein Tag ist durch Gebetszeiten strukturiert. ich verstehe mich als Stadt-Eremitin, die mitten unter anderen Menschen ganz normal einen Pensionisten-Alltag lebt , aber ganz aus dem Glauben, der mir das allerwichtigste im Leben ist.
Mein Respekt diesen mutigen Schwestern. Es ist richtig. Man kann, besonders in der Großstadt sehr gut als Eremit leben. Vielleicht sind Sie, ehrwürdige Schwestern, eine Avantgarde, die eine neue Lebensart in die uralte eremitische Bewegung bringt. Möge die Schar der heiligen Altvaeter Sie fürbittend begleiten.