4. Dezember 2008

Die Augustiner Chorfrauen in Essen-Holsterhausen – Ein Portrait

Schwester Heriburg sortiert die Post, legt sie in der richtigen Reihenfolge auf den kleinen Rolltisch, nebenbei macht sie noch den Telefondienst und begrüßt Gäste. Sie sitzt an der Klosterpforte der Augustiner Chorfrauen Unserer Lieben Frau (BMV) in Essen-Holsterhausen, begrüßt einen freundlich lächelnd, wenn man die Tür zum Kloster öffnet und eintritt.

Zukunftsorientiert – doch mit festen Wurzeln

Augustiner Chorfrauen

Augustiner Chorfrauen

Es ist 10 Uhr im BMV-Kloster an der Bardelebenstraße. Schwester Heriburg ist mit zügigen Schritten samt Postwagen unterwegs in den Speisesaal. Hier hat jede der 18 Augustiner Chorfrauen ihr persönliches „Postfach“. Im Verwaltungszimmer, der sogenannten „Prokuratur“, kümmert sich Schwester Benigna um die Finanzen. Es wird abgeheftet und gebucht. Schwester Felizitas, mit 101 Jahren die älteste Schwester im Kloster, ist in „ihrem“ Nähzimmer dabei, die Sachen in Ordnung zu halten. Mit Blick auf ihre Nähmaschine lässt sie ihren Erinnerungen freien Lauf. „Meine richtig gute Maschine ist im Krieg leider kaputt gegangen. Jetzt habe ich zwar eine moderne Nähmaschine, doch mit meiner alten bin ich besser klar gekommen“, erzählt Schwester Felicitas, die seit 70 Jahren im Orden der Augustiner Chorfrauen lebt und jede Menge „Schürzkes“ genäht hat.

In der Klosterküche herrscht ebenfalls geschäftiges Treiben. Die Küche liegt im Untergeschoss und Schwester Agnes ist hier am Werke. Unterstützt von Köchin Lonija Lovric kümmert sich die 74-jährige Ordensfrau täglich um das leibliche Wohl ihrer Mitschwestern. Heute steht auf dem Speiseplan das Traditions-Gericht „Himmel und Erde“. Kartoffelpüree und Blutwurst lassen nicht bei jeder Schwester ein freudiges Strahlen ins Gesicht zaubern. „Aber auch das gehört zur Gemeinschaft“, schmunzelt Schwester Vera (44), die den Besucher durch das Kloster führt. Schwester Agnes hat in der Küche alles im Griff. Während die Kartoffeln auf dem Herd kochen, nimmt sie sich noch Zeit für eine intensive Führung durch den Vorratskeller. Beim Anblick der großen Holzregale plaudert sie aus vergangenen Tagen: „Früher waren wir 74 Schwestern. Wenn es Kartoffelsalat gab, musste man schon eine große Plastik-Badewanne voll machen. Heute sind die Portionen doch wesentlich kleiner geworden“, sagt sie lächelnd.

Schule und Kloster Tür an Tür

BMV-Schule Essen

BMV-Schule Essen

In direkter Nachbarschaft zum Kloster befindet sich das BMV-Mädchen-Gymnasium. Seit 350 Jahren ist die Schule in der Trägerschaft des Ordens und noch immer unterrichten auch Schwestern die 1500 Mädchen. „Doch das Kloster ist Klausurbereich, hier ist unser Privatbereich, den wir nicht jedem öffnen“, erzählt Schwester Vera, früher selbst Schülerin des Gymnasiums. Im Kloster herrsche Ruhe, es sei gerade auch für die Schwestern, die im Schuldienst seien, ein Ort der Erholung und des Aufatmens. „Aber trotzdem ist es uns wichtig, dass unsere Schülerinnen von der fünften Klasse an wissen, wer Träger dieser Schule ist und was das Besondere an dieser Trägerschaft ist“, betont Schwester Vera. Nicht zuletzt deshalb solle jede Schülerin im Laufe ihrer Schulzeit eine Schwester als Lehrerin im Unterricht haben.

Insgesamt leben 18 Schwestern im Alter von 39 bis 101 Jahren im Kloster der Augustiner Chorfrauen in Essen. „Wir sind mit fünf Schwestern noch im aktiven Schuldienst tätig, die anderen unterstützen uns. Ohne ihre Arbeit hier im Kloster wäre unsere Arbeit mit den Schülerinnen nicht machbar“, betont Schwester Vera. Es sei gerade der Austausch der Schwestern untereinander, der die Älteren fit hält. „Außerdem hat in unserer Gemeinschaft jeder seine Aufgabe, es ist jeder wichtig.“ Das Kloster sei ein „Familienkloster“.

Der Kloster-Alltag ist auf den der Schule abgestimmt: Der Tag beginnt morgens um sechs Uhr mit dem gemeinsamen Morgenlob, der anschließenden Messfeier und der kleinen Hore, dem täglichen Stundengebet. Ab 7.10 Uhr besteht die Möglichkeit des Frühstücks, das nicht gemeinsam eingenommen wird. Fünf der Schwestern gehen dann in die Schule, um zu unterrichten. Für sie stehen Mathe, Deutsch, Kunst und Erdkunde auf dem Stundenplan. „Im Kloster geschieht dann genau das, was in vielen anderen Haushalten am Vormittag eben auch geschieht: putzen, waschen, einkaufen und kochen. Ab 12 Uhr ist es möglich, Mittag zu essen, die offizielle Zeit für den Mittagstisch ist 13 Uhr. Der Nachmittag steht zur freien Verfügung oder ist auch mit Hausarbeit und Arbeiten für die Schule gut gefüllt. Um 18.20 Uhr beginnt die Lesehore, ihr folgt um 18.40 Uhr das gemeinsame Abendessen. Nach der Vesper in der Kapelle des Klosters um 19.15 Uhr ist Zeit zur Erholung und des gemeinsamen Zusammenseins im Gemeinschaftsraum.

Ort des Aufatmens und der Erholung

Augustiner Chorfrauen BMV, Essen

Augustiner Chorfrauen BMV, Essen

„Das Kloster bietet gerade uns Schwestern, die wir im Schuldienst arbeiten, die Möglichkeit des Aufatmens und der Erholung. Für diese Ruhe in der Klausur bin ich wirklich dankbar“, so Schwester Vera. Trotzdem ist dem Orden der Kontakt zur „Außenwelt“ und insbesondere zur Nachbarschaft sehr wichtig. „Wir wollen auf Veränderungen in der Gesellschaft reagieren, diese möglicherweise in unsere Gemeinschaft mit einbringen, aber all das geschieht, ohne dass wir unsere Wurzeln aufgeben.“

Mit der Ordenstracht, dem sogenannten Habit, zeigen die Ordensfrauen, dass sie sich für eine alternative Lebensform entschieden haben. In ihrem Gelübde versprechen sie, ein Leben in Armut, Ehelosigkeit und in Gehorsam zu führen sowie sich der Erziehung der Jugend zu widmen. Der Weg bis zum Gelübde, der abschließenden Entscheidung für ein Leben im Orden ist bei den Augustiner Chorfrauen ein Zeitraum über mehrere Jahre. „Es beginnt mit dem Postulat. Die Postulantin zieht für gut ein Jahr ins Kloster ein, geht dabei aber weiterhin ihrer Ausbildung nach. Dem folgt das kanonische Jahr, man wird eingekleidet und lässt sich ganz auf das Leben im Kloster ein“, erklärt Schwester Vera. Voraussetzung für das kanonische Jahr ist aber eine abgeschlossene Berufsausbildung oder der Abschluss des Grundstudiums. Nach dem kanonischen Jahr kommt die erste Profess. „Dabei handelt es sich um ein Gelübde für drei Jahre. Von diesem Zeitpunkt an trägt man den schwarzen Schleier als äußeres Zeichen. In dieser Zeit kann man an die Uni zurückkehren und weiter studieren. Am Ende der drei Jahre folgt die Ewige Profess.“

Schwester Vera hat sich mit 22 Jahren für ein Leben im Orden entschieden. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester hat sie ihr Studium zum Lehramt begonnen und ist in den Orden der Augustiner Chorfrauen eingetreten. „Ich hatte bereits mit 16 Jahren über diese alternative Lebensart nachgedacht und später Kontakt zu verschiedenen Orden aufgenommen“, erinnert sie sich. Es ist nicht zuletzt die Kombination von aktivem Leben in der Schule, mit den Schülerinnen und dem Leben in der Klausur, die die Schwester jeden Tag neu überzeugt. Es ist die Einheit von Kloster, Kirche und Schule, die auch jeder Besucher beim Gang durch die drei Tore an der Bardelebenstraße 9 bemerkt. (dr)

(Bistum Essen, Fotos: Nicole Cronauge)

Lesermeinungen

Ein Kommentar zu “Die Augustiner Chorfrauen in Essen-Holsterhausen – Ein Portrait”

  1. Marten van Harten
    9. Februar 2012 22:13

    Ich bin an der Ordensgeschichte während des Kulturkampf interessiert, gibt es Erinnerungen an der Zeit der Essener Chorfrauen in Steyl, Niederlande 1876-1890?

Was sagen Sie dazu?