13. Dezember 2008

Weihnachten im Kloster – ein Interview mit der Generaloberin der Ritaschwestern

Würzburg (POW) – Schwester Rita-Maria Käß, Generaloberin der Ritaschwestern, gibt Einblicke ins Weihnachtsfest hinter Klostermauern. – Warum Plätzchen und Stille, Freude und manchmal auch Schmerz zum Weihnachtsfest gehören.

Schwester Rita-Maria Käß, Generaloberin der Ritaschwestern, über Weihnachten im Kloster

Schwester Rita-Maria Käß, Generaloberin der Ritaschwestern, über Weihnachten im Kloster

Auch hinter Klostermauern wird gefeiert – gerade an kirchlichen Festtagen. Schwester Rita-Maria Käß, Generaloberin der Ritaschwestern, gibt einen Einblick in Advents- und Weihnachtszeit im Würzburger Mutterhaus der Schwestern. Sie spricht über die Botschaft des Weihnachtsfests, Plätzchen und Geschenke sowie den möglichen Umgang mit Trauer und Verlust während der Festtage.

POW: Schwester Rita-Maria, wie muss ich mir als Außenstehender die Tage vor Weihnachten und die eigentliche Weihnachtszeit in Ihrem Kloster vorstellen? Werden da auch Plätzchen gebacken, Strohsterne gebastelt und Weihnachtsgeschenke verpackt?

Generaloberin Schwester Rita-Maria Käß: Wir unterscheiden zwischen Advent und Weihnachten. Die Adventszeit ist eine eher ärmere Zeit, das sieht man schon am Schmuck. Es geht darum, dass wir uns innerlich auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Natürlich backen wir auch Plätzchen und Stollen. Wir haben Gott sei Dank eine Mitschwester, die hervorragend backen kann und uns alle damit versorgt. Und wir backen auch für die Gemeinschaft Sant’Egidio und deren Weihnachtstreffen. Wir bereiten uns natürlich auf das Fest vor, vor allem innerlich.

Wie sieht diese Zeit der Vorbereitung genau aus?

Wenn es auf Weihnachten zugeht, dann stellen wir Weihnachtsbäume auf – allerdings kommen die erst kurz vor Weihnachten und noch nicht im Advent. Am Heiligabend werden die Krippen aufgestellt, die Liturgie wird vorbereitet und die Küche bereitet auch ein entsprechendes Festessen vor. Außerdem beschenken wir natürlich manche Menschen, aber gegenseitig beschenken wir uns nicht. Wir werden sehr reich von anderen beschenkt. Wir machen einander vielleicht schon einmal eine kleine Freude, aber Geschenke im größeren Stil gibt es nicht.

Wie sieht das dann bei Ihnen an Heiligabend im Kloster aus, wenn überall zuhause die Familien um den Weihnachtsbaum sitzen und gemeinsam Lieder singen? Ist das bei Ihnen ähnlich?

Einige Schwestern gestalten zunächst einmal mit den alten Menschen von Haus Clara gegen drei Uhr einen kleinen Weihnachtsnachmittag. Dann haben wir Schwestern eine besinnliche Feier, essen gemeinsam zu Abend und sitzen gemütlich beisammen. Danach ist aber auch die Zeit für jede, noch mal für sich in Stille zu gehen, und dann kommt die Christmette. Außerdem laden wir Menschen ein, die mit uns in Beziehung stehen und die sonst an Weihnachten alleine wären, und feiern dann gemeinsam. Wir haben eigentlich immer Gäste von außerhalb, meist ältere Menschen. In den vergangenen Jahren waren das zwei oder drei, dieses Jahr vielleicht ein paar mehr.

Wie ist das nach der Mette? Kommen die Schwestern da nochmal zusammen oder gehen Sie dann getrennte Wege?

Nach der Christmette geschieht alles auf freiwilliger Basis: Es gibt viele, die sagen, ich möchte im Schweigen in die Nacht gehen; andere wollen noch das Weihnachtsoratorium hören, manche setzen sich in kleinen Gruppen zusammen. Das ist sehr individuell.

Weihnachten oder zumindest der Heilige Abend ist dann bei Ihnen also eine Mischung aus Gemeinschaft und – wenn gewünscht – auch Individualität?

Ich glaube, dass wir, um das Weihnachtsgeheimnis, dieses große Fest verinnerlichen zu können, auch die Stille und die Besinnung brauchen. Denn jedes Mal an Weihnachten, und da spreche ich jetzt aus meiner ganz persönlichen Sicht, berührt mich etwas anderes aus diesem großen Geheimnis, aus den Bibeltexten, aus der Liturgie. Und um dem Aufmerksamkeit schenken zu können, braucht es eben auch das Alleinsein oder die Stille.

Wie schaut es an den Weihnachtsfeiertagen, 25. und 26. Dezember, bei Ihnen aus?

Diese Tage sind von Freude, von gemeinsamem Beten, Essen und Beisammensein geprägt. Das Weihnachtsgeheimnis muss nachklingen können. Zwischen den Jahren sagen aber auch viele, dass sie sich gerne ein wenig zurückziehen, auf das Jahr zurückschauen wollen. Schließlich geht es in Richtung Jahreswechsel. Das ist eine wichtige Zeit. Es ist auch wichtig, ein Jahr gut abzuschließen und das neue dann auch ganz bewusst anzufangen. Deshalb sind diese Tage zwischen den Jahren bei uns eher ruhige Tage.

Haben Sie als Ordensfrauen an Weihnachten oder zwischen den Jahren überhaupt die Möglichkeit, Ihre Verwandten zu sehen?

Das ist grundsätzlich natürlich möglich. Aber es ist in der Regel so, dass wir Weihnachten hier verbringen, weil hier unsere Heimat, unsere Familie ist. Viele Schwestern bekommen Besuch. Wenn wir es für angebracht halten, dann fahren wir auch mal zu unseren Familien. Es ist aber eher so, dass unsere Gemeinschaft hier unsere Familie ist.

Wenn wir gerade beim Thema Familie sind: Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie als Kind Weihnachten empfunden und gefeiert haben?

Generaloberin Rita-Maria Käß

Generaloberin Rita-Maria Käß

Wenn ich heute so auf meine Kinderzeit zurückschaue, dann fällt mir auf, dass wir eine sehr, sehr schöne Zeit hatten. Meine Mutter hatte die Gabe, alles sehr schön zu gestalten. Es war immer klar strukturiert, wir wussten genau, was kommt: Im Advent der Adventskranz, dann wurde gesungen. Meist „Tauet Himmel den Gerechten“, das ist mir erst beim Singen in der Adventszeit wieder eingefallen, wie wir das auch schon als Kinder geschmettert haben. Dann kam der Nikolaus mit den ersten Plätzchen, und danach war das große Warten auf das Weihnachtsfest. Meine Mutter hat auch für die Puppen immer wieder neue Kleidung geschneidert – natürlich abends, ganz geheimnisvoll. Ich weiß noch, dass sie sich damit oft überarbeitet hat und dass sie vor Weihnachten ganz schön kaputt war. Das hat auch irgendwie zu Weihnachten gehört. Generell kann ich sagen, wir haben daheim Weihnachten und den Heiligen Abend mit vielen Ritualen erlebt. Zum Beispiel haben wir als Kinder die Vorstellung gehabt, das Christkind kommt mit zwei Eseln und dem Schlitten, in dem es die Geschenke bringt. Wir haben deshalb immer Heu und Hafer für die Esel rausgestellt – und das obwohl es am nächsten Morgen noch immer da war! Aber wir haben das jedes Jahr gemacht (lacht). Das sind für mich einfach sehr schöne Erinnerungen.

Nehmen wir uns mal einen Menschen als Beispiel, der nicht in so einem christlich geprägten Umfeld aufgewachsen ist. Wenn Sie ihm Weihnachten so knapp wie möglich erklären sollten: Was wäre für Sie die zentrale Botschaft, die Sie auf jeden Fall vermitteln wollten?

Ich persönlich feiere an Weihnachten, dass unser Gott so tief zu uns Menschen herabgestiegen ist, dass er das in Liebe getan hat und in Jesus seine ganze Freundlichkeit gegenüber den Menschen gezeigt hat. Das sind für mich die zentralen Punkte, die mich an diesem Fest auch jedes Mal aufs Neue wieder sehr stark berühren. Ich denke einfach, dass es einen Kern gibt, der an diesem Fest das Wesentliche ausmacht. Es gibt ganz viel drum herum, manches vielleicht sogar Plunder, der uns davon abhält, zu diesem Wesentlichen zu kommen. Deshalb ist für mich auch die Adventszeit wichtig. Eine Zeit, in der ich lerne, offen zu sein, mich wieder wach machen zu lassen, zu warten, meine Sehnsucht aufzuspüren, herauszufinden, wie es überhaupt um mich steht. Wir sind im Alltag oft so eingesponnen, dass uns diese Tiefe, diese wesentliche Dimension verloren zu gehen droht.

Sie haben es eben gerade gesagt: Es ist sehr viel „Plunder drum herum“. Geht da vielleicht an Weihnachten auch tatsächlich etwas verloren? Verdeckt das ganze Drumherum vielleicht etwas?

Ich glaube schon, weil ich mir persönlich auch nicht vorstellen kann, ohne den Advent zu leben. Dieses Warten, mich auf das Fest vorzubereiten und innerlich einen Weg zu gehen – das gehört für mich dazu. Wir wünschen uns alle, dass wir eine heile Welt haben, dass wir es an Weihnachten schön haben, aber ich glaube, es geht nicht ohne diese angesprochene tiefere Dimension. Das Drumherum ist schön, aber ob es uns wirklich zutiefst innerlich anrührt und nährt und fürs Leben hilft, das muss jeder persönlich sehen. Für mich wäre da die Frage: Hilft mir das, so wie ich Weihnachten feiere? Bin ich tiefer angerührt, zufriedener? Finde ich Sinntiefe in meinem Leben?

Die Ritaschwestern sind nicht nur in Würzburg, sondern auch in den Vereinigten Staaten und der Schweiz aktiv. Unterscheidet sich das dortige Weihnachtsfest irgendwie vom Weihnachtsfest hier in Würzburg?

In den USA unterscheidet sich das schon. Allein durch den Schmuck und die Symbolik. Allerdings habe ich noch kein Weihnachtsfest dort verbracht, ich war nur in der Vorweihnachtszeit einmal bei unseren Schwestern und habe dabei die unzähligen Beleuchtungen an den Häusern gesehen. Der Adventskranz hängt dort nur in der Kirche. Ansonsten gibt es wirklich nur Christbäume.

Vorhin haben wir schon das Thema Familie gestreift, jetzt nochmal ein wenig konkreter: Die Ritaschwestern engagieren sich auch in der Familienpflege. Erleben Sie dort Menschen, die vielleicht sogar ein Stück weit Angst haben vor Weihnachten?

Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die vor Weihnachten Angst haben. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Da kann die Einsamkeit Angst machen und alles, was uns ohnehin im Leben schwer ist, bekommt an Weihnachten nochmal eine stärkere Gewichtung. Weihnachten soll ja das Fest der Freude, der Familie, des Glückes sein. Dann ist es natürlich hart, wenn Familien Weihnachten im ersten Jahr nach der Trennung oder nach einem Verlust eines Kindes oder eines anderen Familienmitglieds feiern müssen. Da stehen viele Familien vor so einem Fest mit bangem Herzen und wissen nicht so recht, wie sie diese Tage überstehen sollen. Es ist nicht leicht, ein Fest zu feiern, wenn jemand fehlt. Bei solchen Gelegenheiten spürt man den Schmerz einfach mehr, und ich denke, man muss sich darum bemühen, dass dieser Schmerz einen Raum kriegt während des Fests. Ich kenne eine Geschichte aus der Bonhoeffer-Familie. Sie hatten einen Sohn, der im Krieg gefallen ist, und sie mussten Weihnachten ohne diesen Bruder feiern. Die Mutter hat einen Ast vom Christbaum genommen und diesen dann geschmückt und zum Grab getragen. Dieses Ritual hat ihnen geholfen, ihren Schmerz nicht zu verdrängen. Vielmehr war im Baum sichtbar: „Bei uns fehlt etwas“. Ich habe eine andere Familie in Erinnerung, in der der große Bruder gestorben ist. Da hat der kleine Bruder ein Bild in den Baum gehängt und hat damit dem verstorbenen Bruder einen eigenen Platz gegeben. Das hat diesen Familien geholfen, den Schmerz ins Fest zu integrieren. Natürlich geht da nicht alles so wie sonst. Aber wir können Weihnachten auch mit einem Schmerz feiern.

Sie haben jetzt vor allem über die Verbindung Schmerz und Tod gesprochen. Haben Sie auch Erfahrungen im Bereich Schmerz und Trennung. Gerade in heutiger Zeit, in der „Patchwork“-Familien existieren, Kinder und Eltern unter Umständen auch an Weihnachten getrennt sind, wo im Vorfeld möglicherweise schon Streit entsteht, wer mit wem wann und wo feiert?

Eine Erfahrung ist sicherlich, dass zu wenig gesprochen wird, dass man einfach nicht miteinander spricht. Man müsste auch über den Schmerz sprechen. Jetzt sind wir getrennt, was können wir denn Gemeinsames tun, das uns an diesem Tag verbindet? Ist das ein Spaziergang, ein gemeinsames Kaffeetrinken? Was kann uns zeigen, dass wir in verschiedenen Beziehungen noch zusammengehören? Es gibt da allerdings kein Rezept. Es geht vielmehr darum, den Mut zu haben, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Dann würde mich noch interessieren: Was würden Sie sich dieses Jahr wünschen, wenn Sie einen Weihnachtswunsch frei hätten?

Ich bin im Moment verantwortlich für unsere Gemeinschaft und ich würde mich freuen, wenn mehr junge Frauen sich für unsere Lebensform entscheiden könnten. Das wäre mein Wunsch für uns Schwestern. Für mich persönlich wünsche ich, dass ich das Weihnachtsgeheimnis wieder tiefer verstehen kann, dass mir wieder was Neues aufgeht. Ansonsten habe ich eigentlich alles. Ich fühle mich reich und beschenkt, ich bin gesund – was soll ich mir sonst noch wünschen?

Gut, dann möchte ich ganz zum Schluss den Blick nochmal in die Zukunft richten: Haben Sie eine spezielle Bitte für das Jahr 2009?

Meine größte Bitte ist eigentlich, dass wir Schwestern als Gemeinschaft auf einem guten Weg bleiben, den Gott uns führt. Das ist das eine. Meine andere große Bitte ist, dass es auf der Welt mehr Frieden geben sollte. Mir tut es sehr weh, dass so viele Menschen in schlimmen Situationen leben müssen. Ich würde mir wünschen, dass wir fähiger werden, die Probleme der Welt noch effektiver zu lösen.

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Schwester Rita-Maria Käß (54) ist seit Mai 2006 Generaloberin der Kongregation der Ritaschwestern, einer augustinischen Gemeinschaft. Die Zentrale der Ritaschwestern befindet sich im Würzburger Stadtteil Sanderau und ist Sitz der Generalleitung der Gemeinschaft. Im Mutterhaus leben derzeit 60, in Würzburg insgesamt 81 Schwestern. Neben Würzburg sind die Ritaschwestern auch in Lohr am Main, Falkenberg, Lauda, Geldersheim sowie in Luzern/Schweiz und den Vereinigten Staaten vertreten.

Das Interview führte Andreas Wallbillich vom Bistum Würzburg, Fotos: Markus Hauck

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