21. Januar 2009
Schwester Lea Ackermann sieht Grund zum Feiern
Boppard – Seit fast 25 Jahren kämpft Sr. Lea Ackermann gegen Sextourismus, Zwangsprostitution, Heirats- und Menschenhandel und engagiert sich mutig für Frauen, die durch kriminelle Machenschaften anderer in Not geraten sind.
„In Kenia, wo alles begann, engagiert sich Solwodi zur Zeit mit acht Zentren, deren Aufgabe es ist, Beratungsstelle, Ausbildungsvermittlung und Werkstatt zugleich zu sein“, berichtet Schwester Lea. Seit 1997 ist Solwodi in Kenia als Nicht-Regierungsorganisation (NGO) anerkannt. In Deutschland, wo Solwodi 1988 als bundesweiter Verein gegründet wurde, gibt es inzwischen zwölf Beratungszentren und sieben Schutzwohnungen für ausländische, in Not geratene Frauen und Mädchen. Anfragen zur Errichtung weiterer Zentren erreichten die Organisation in diesen Wochen aus Rumänien und aus Österreich.
„Es war im Sommer 1985, als ich von meiner Gemeinschaft der Missionsschwestern ‚Unsere Liebe Frau von Afrika‘ in die Hafenstadt Mombasa entsandt wurde“, erzählt Schwester Lea. Die promovierte Pädagogin mit den Nebenfächern Psychologie und Theologie sollte wie einige Jahre zuvor in Ruanda auch in Kenia in der Fortbildung von Lehrern tätig werden. Die damals 48jährige Ordensschwester aber konnte ihre Ordensleitung davon überzeugen, dass sie für sich einen anderen Weg gefunden hatte. Ihre feste Ãœberzeugung war es, dass sie als Ordensschwester eigentlich dazu berufen sein müsste, sich um die Menschen zu kümmern, die ohne Lebenschancen sind: „Ich wollte etwas für Gottes an den Rand gedrängte Töchter tun – in Mombasa waren das Frauen und Mädchen, die in der Prostitution gestrandet waren, weil sie keine andere Möglichkeit sahen, für ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Eltern zu sorgen.“ In Gesprächen mit den afrikanischen Frauen, die in Bars und Bordellen arbeiteten, erfuhr Schwester Lea von der großen Not und dem Elend der Prostituierten. „Ich ging in die Kontaktcafés, Treffpunkte und Wohnungen, führte Gespräche mit den Prostituierten und lud sie zu mir ein“, erzählt Schwester Lea. Schließlich sei ihr im Gespräch mit den Frauen die Idee gekommen, eine Kontaktstelle zu schaffen. Der Ortsbischof vermittelte im Zentrum von Mombasa einen verfallenen, verwahrlosten Schuppen. Mit tatkräftiger Hilfe der Prostituierten und ihrer Mitschwestern sowie mit Spenden aus Deutschland wurde die Lagerhalle in ein Frauenzentrum umgebaut. Gemeinsam überlegten die Frauen Alternativen zur Prostitution.
Mit dem Ziel, diesen Frauen zu einer finanziellen Eigenständigkeit zu verhelfen und über einen Beruf ihr Selbstwertgefühl zu stärken, gründete Schwester Lea noch im selben Jahr Solwodi. Eine weitere Zielgruppe wurden die Töchter der Frauen, die aus Armut in der Prostitution arbeiten. Oft vergingen sich die Freier auch an den Töchtern, sagt die Ordensfrau. Eine weitere Gefahr für die Kinder wie für die Mütter seien die weit verbreiteten Krankheiten AIDS und Tuberkulose. Ohne Schulabschluss seien die Zukunftsperspektiven der Kinder genau so schlecht wie die ihrer Mütter. Um den Mädchen den Schulbesuch zu ermöglichen, hatte Solwodi Deutschland e.V. 2002 in Kenia das Projekt „Solgidi“ gegründet (SOLidarity with GIrls in DIstress/ Solidarität mit Mädchen in Not). Mit Solgidi-Leiterin Agnes Mailu besprach Schwester Lea bei ihrem jüngsten Besuch in Mombasa unter anderem auch die Wege, wie Solgidi ähnlich wie Solwodi-Kenia als NGO anerkannt werden könnte. Bislang arbeitet die Einrichtung als eingetragene Gruppe unter dem Dach der Kirche. Als NGO aber könnte Solgidi nicht nur leichter Gelder akquirieren sondern auch eine größere Unabhängigkeit erlangen. „Alles in allem aber gibt es für Solwodi gerade auch im Blick auf die Arbeit in Afrika allen Grund zum feiern“, freut sich Schwester Lea. Bisher konnten jedes Jahr mehr Mädchen in das Schulprogramm aufgenommen werden. 2002 waren es noch 60 Schülerinnen, 2005 fast doppelt so viele, und 2008 wurden über 150 Töchter von Prostituierten beim Schulbesuch von Agnes Mailu und ihrem Team unterstützt. Werden die Geschwister dazu gezählt, die von einigen Angeboten miterreicht werden, so profitieren heute über 400 Kinder vom Solgidi-Programm.
„Wir bringen die Mädchen in die Schule, wir zahlen Schulgeld, wir kontrollieren ihre Teilnahme am Unterricht, wir sorgen dafür, dass sie wenigstens eine Malzeit am Tag haben“, berichtet die Ordensfrau. Außerdem besuchen Solgidi-Mitarbeiterinnen die Mädchen regelmäßig zu Hause. Dank der Spenden von Einzelpersonen konnten besonders begabte Mädchen das College beziehungsweise die Universität besuchen. Voller Stolz berichtet Schwester Lea, dass im vergangenen Jahr 13 Mädchen das Abitur absolvierten. Ausbildungskosten zum Beispiel zur Friseurin, Schneiderin, Erzieherin, Automechanikerin oder Sozialarbeiterin werden von Solwodi-Kenia übernommen. Für HIV-infizierte Frauen und deren Kinder wurde ein spezielles Hilfsprogramm ausgearbeitet. „Der Erzbischof von Mombasa ist von unserer Arbeit sehr angetan“, freut sich die Ordensfrau. Planungen zur Errichtung eines Geschäftshauses im Stadtzentrum zum Verkauf der von den Frauen hergestellten Waren, darunter Sandalen, Seife und Körbe, sowie eines weiteren Beratungszentrums in der Hauptstadt Nairobi sind angelaufen. Auch Freizeitaktivitäten wie Theater, Tanz, Gesang und Fußball sind Teil des Solwodi-Programms. Große Freude herrschte im vergangenen Jahr, als das Fußballteam der Frauen zur Oberliga aufstieg.
Ende 2008 hat der Erzbischof von Mombasa für die Kinder, die in die Prostitution verkauft und nach dieser Erfahrung von Solwodi beziehungsweise Solgidi betreut werden, ein Schutzhaus zur Verfügung gestellt. Allerdings äußerte sich Schwester Lea besorgt darüber, dass sich der Bau einer Mauer um das Schutzhaus so lange verzögert. Die Gefahr, dass die Kinder entführt würden sei groß. Zur Anfangsfinanzierung liege hierfür dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in Berlin ein Antrag vor. „Es tut mir unendlich leid, dass dieses Schutzhaus noch nicht richtig arbeiten kann, weil die bürokratischen Mühlen so langsam mahlen“, klagt die Ordensfrau. Aber sie ist zuversichtlich, dass auch diese Hürde bis zur 25-Jahrfeier überwunden ist und sich auch für 2009 viele Förderpartner finden, damit die Hilfsprogramme für die gefährdeten Frauen und die Kinder an der Ostküste Kenias weiter gesichert sind.
(Bistum Trier)
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