24. Januar 2009

Kloster Fahr erhält Siegelrecht zurück

Würenlos/Kloster Fahr – Der Abt von Einsiedeln, Martin Werlen, übergab am Donnerstag, 22. Januar 2009, dem Kloster Fahr bei Zürich ein neues Konventsiegel. Die Benediktinerinnen sind nun selbst Herrinnen über die Geschäfte ihres Klosters. Mit der Siegelübergabe endete ein fast 900jähriges Ringen um mehr Mitsprache.

Bisher regelte eine Urkunde von 1130 das Verhältnis zwischen dem Benediktinerinnenkloster Fahr und der Abtei Einsiedeln, dessen Abt auch dem Frauenkonvent vorsteht: Der Abt entsandte einen Propst als Statthalter nach Fahr, der die Geschäfte des Klosters führte. Seit rund zwei Jahren gibt es zwischen dem Kloster Fahr und der Abtei Einsiedeln nun ein neues Organisationsreglement: Die Priorin Irene Gassmann leitet nicht nur die internen Belange der Gemeinschaft, sondern ist auch nun auch für die wirtschaftlichen Belange ihres klosters verantwortlich. Mit der Siegelübergabe wurde die bereits bestehende Emanzipation der Frauengemeinschaft vom Kloster Einsiedeln nun auch symbolisch vollzogen.

Das Siegelrecht der Frauen vom Fahr geht in das 14. Jahrhundert zurück.

Die Siegelübergabe

Abt Martin Werlen übergibt das neue Konventsiegel an Priorin Irene Gassmann (Foto: Kloster Fahr)

Am 22. Januar 1130 stiftete Lütold von Regensberg dem Kloster Einsiedeln das Kloster Fahr: Exakt 879 Jahre später übergab Abt Martin Werlen, Vorsteher des Doppelklosters Einsiedeln und Fahr der Gemeinschaft in Anwesenheit von rund 120 Gästen in der Klosterkirche das neue Konventsiegel. Das Siegelrecht der Frauen vom Fahr geht bereits in das 14. Jahrhundert zurück.

Das neue Siegel galt es würdig zu feiern! Die Priorin des Klosters Fahr, Irene Gassmann, begrüßte am 879. Stiftungstag in der Klosterkirche neben der Gemeinschaft der Fahrer Frauen, rund 120 Mitglieder des Vereins Pro Kloster Fahr zur feierlichen Übergabe des neuen Konventsiegels. Drei Referenten beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Klugheit und Wagemut

Die Historikerin Dr. Helene Arnet berichtete auf humorvolle Weise über Episoden aus der langen Geschichte der Beziehung zwischen den Klöstern Einsiedeln und Fahr; sie erklärte auch, wie die Frauen vom Fahr im 14. Jahrhundert zu ihrem ersten Siegel kamen und wie sie während Jahrhunderten mit Klugheit und Wagemut um ihre Rechte kämpften.

Bereits 1360 verlieh der Bischof von Konstanz dem Konvent von Fahr ein Siegel. „Wir können nur ahnen, weshalb sich damals der Bischof in die inneren Fahrer und Einsiedler Geschäfts einschaltete: Einige Jahre zuvor versuchte der Einsiedler Abt offenbar, das Kloster Fahr um die Einkünfte aus der Kirche Weiningen zu prellen. Und der Bischof erwähnt explizit, dass der Propst den Fahrer Besitz verschleudere. Die Nonnen kuschten offenbar nicht, sondern holten sich Hilfe quasi beim Chef des Chefs. Der Einsiedler Abt war damals noch nicht immun, also dem Bischof unterstellt. Wir treffen in Fahrs Geschichte auf Situationen, in denen die geistlichen Männer nicht gewissenhaft leiteten oder die Frauen tatsächlich selbst zu denken wagten.

Schreibt jemand in 100 oder 200 Jahren die Fahrer Geschichte fort, wird die heutige Siegelverleihung sicher Erwähnung finden, ist sie doch ein symbolischer Akt für eine neue Beziehung zwischen Einsiedeln und Fahr, welche vor kurzem in einem neuen Organisationsreglement schriftlich festgehalten worden ist und dem Konvent eine grössere Selbständigkeit zusichert.“

Doppelkloster

Professor Sablonier, emeritierter Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Zürich nahm Stellung zur Bezeichnung von Fahr und Einsiedeln als Doppelkloster: „Die Bezeichnung knüpft an eine benediktinische Tradition aus dem 12. und 13. Jahrhundert an, als im Benediktiner– wie etwa auch im Prämonstratenserorden geistliche Gemeinschaften häufig Männer und Frauen am selben Ort umfassten. Einsiedeln und Fahr sind zwar räumlich getrennt, aber das Kloster Fahr steht auf Einsiedler Boden und untersteht dem Abt von Einsiedeln. Historisch spricht nichts gehen den Begriff Doppelkloster. Ich glaube, die geistige Gemeinsamkeit ist wichtig und wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, ist die gleichzeitige räumliche Nähe nicht entscheidend.“

Den geistigen Siegeln des Mittelalters nachempfunden

Die gekreuzten Fährstacheln – das Konventsiegel des Klosters Fahr

Die gekreuzten Fährstacheln – das Konventsiegel des Klosters Fahr

Der Heraldiker Rolf Kälin ging auf die Gestaltung des neuen Siegels ein. „Das Führen eines Konventsiegels hat im Kloster Fahr eine lange Tradition. An diese Tradition wurde nun mit der Schaffung des neuen Konventsiegels angeknüpft. Das Siegel ist den geistlichen Siegeln des Mittelalters nachempfunden in charakteristischer spitzovaler Form.

Das Siegelbild zeigt die gekreuzten Fährstacheln des Fahrer Wappens nach der Vorlage an der Decke im Konventsaal. An der Fersstelle, respektive am Fersfuss des Siegels, findet sich in einem frühgotischen Schild das Wappen des Klosters Einsiedeln, um auf die Beziehung von Einsiedeln und Fahr als Doppelkloster hinzuweisen. Die lateinische Siegellegende +SIGILLUM CONVENTUS MONASTERII IN FARE beginnt ususgemäss mit einem Kreuz und reiht sich im Uhrzeigersinn um das Siegelbild.

„Ich bin beeindruckt von eurer Gemeinschaft“

Bevor Abt Martin zur Siegelübergabe schritt, meinte er: „Es ist für mich eine grosse Freude, an diesem Punkt der Geschichte unseres Doppelklosters angekommen zu sein. Was wir heute feiern, unterscheidet sich wohltuend von vielem, was in unserer gemeinsamen Vergangenheit passiert ist. Ich bin beeindruckt von Eurer Gemeinschaft, von der Lebendigkeit, von der spirituellen Tiefe, von der Zuversicht auf dem Weg in die Zukunft, von der Gesprächskultur, vom Zusammenhalt in schwierigen Situationen, vom Mut, neue Wege zu beschreiten, von der Kompetenz, die in verschiedenen Bereichen aufgebaut wurde, von der Bereitschaft auf Gott zu hören und seine Gegenwart zu bezeugen, hier im Kloster am Rande der Stadt. Mit Dankbarkeit und Stolz übergebe ich euch das neue Konventsiegel.“

Er richtete seinen Dank auch an Daniel Huggler, den Gemeindeschreiber von Würenlos, den geistigen Vater des Konventsiegels sowie an Bernhard Lang, den Goldschmied aus Basel und künstlerischen Vater des neu geschaffenen Siegels. Musikalisch umrahmt wurde der feierliche Anlass in der Fahre Klosterkirche durch das Doppelkloster-Duett mit Schwester Veronika Odermatt, Flöte und Pater Urban Federer, Cello.

Das Konventsiegel wird künftig bei der Unterzeichnung wichtiger Verträge eingesetzt. Priorin Irene: „Wir werden einen Gummistempel machen lassen zum dokumentieren von Pässen der Jakobspilger oder bei Messstipendien. Das Siegelwappen kommt auch auf unsere neuen Weinetiketten.“

Weblink: Kloster Fahr

(Kloster Fahr)

Lesermeinungen

Ein Kommentar zu “Kloster Fahr erhält Siegelrecht zurück”

  1. 31. Juli 2010 08:02

    Ich wurde in Dietikon geboren und mein Vater hatte aus Tradition eine Beziehung zum Kloster Fahr, was ich auch so empfand und so ging auch ich öfters ins Kloster Fahr, wobei mir die Kirche als solche und das Gemäuer von aussen eigentlich wichtiger waren. Nur selten verweilte ich in einem stillen Gebet. Meine Hochzeit wollte ich im Kloster Fahr begehen und hatte auch dazu angefragt, leider war es damals 1962 nicht möglich in der grossen Stiftskirche zu heiraten, nur in der kleinen, etwas dunklen Kapelle. Das wollte ich aber nicht und so kam es, dass ich in Gossau (ZH) verheiratet wurde ohne eine Beziehung zu Gossau zu haben.
    Ich lebe seit 40 Jahren in Neuchâtel, denke jedoch sehr oft an „mein“ Kloster Fahr. Seit einigen Jahren suche ich meine Ahnen in den Kirchbüchern von Dietikon und auch dem des Klosters Fahr (nicht persönlich, weil ich seit wenigen Jahren nicht mehr reisen kann) und seit ich sogar weiss, dass mindestens eine Verena Wiederkehr als Schwester Barbara von seit 1815 bis zu ihrem Tode am 18.07.1869 im Fahr diente noch viel mehr.
    So hat mich die Nachricht vom 22.01.2009, dass das Kloster Fahr zu Würenlos „geschlagen“ wurde, sehr enttäuscht. Wenn es auch geschichtlich nicht richtig ist, mein Kloster Fahr gehörte doch zu Dietikon! Nun finde ich mich natürlich damit auch ab und war sogar sehr erfreut, als ich hier auf dieser Webseite erfahren durfte, das das Kloster durch die Verleihung des Siegels mehr Eigenständigkeit (auch von Dietikon) erlangt hat. Ich freue mich also für alle im Kloster Fahr und meine Kirche ist wieder mitten im Dorf, was natürlich sowieso nicht stimmen kann. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, einige Minuten mit Ihnen in Gedanken zu verbringen zu dürfen und grüsse Sie freundlich,
    Thomas Wiederkehr

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