8. März 2015

Zum 125. Geburtstag von Oswald von Nell-Breuning SJ

Am 8. März hätte der in Trier geborene Jesuit und Sozialwissenschaftler Oswald von Nell-Breuning SJ seinen 125. Geburtstag gefeiert. Nell-Breuning (8. März 1890 bis 21. August 1991) gilt bis heute als „Nestor der katholischen Soziallehre“.

Oswald von Nell-Breuning

Oswald von Nell-Breuning SJ (Foto: SJ-Bild)

Zur Erinnerung an Nell-Breuning hat Friedhelm Hengsbach SJ, emeritierter Professor für Christliche Sozialwissenschaften in Frankfurt Sankt Georgen, ein persönliches „Danke“ an seinen Mitbruder formuliert:

„Der Anblick einer Ikone, die in verhaltene Farben getaucht ist, löst eine Stimmung aus, in der sich Faszination, Respekt und eine scheue Distanzierung mischen.

Als „Nestor“ der katholischen Soziallehre war Pater von Nell-Breuning ursprünglich mit einer Prinzipienethik, dem naturrechtlichen Argumentieren und der Verteidigung zeitloser Ordnungsgefüge, etwa der Familie, des Privateigentums und des hoheitlichen Staates verwachsen. Aber sein neugieriger Blick auf das „Andere“ und „die Anderen“ hat ihn dazu befähigt, die Bereitschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils vorwegzunehmen, aus den Erfahrungen der modernen Gesellschaft zu lernen und von den Grenzen her und jenseits des kirchlichen Milieus moraltheologische und sozialethische Antworten zu suchen. Diese Vorgehensweise, von außerhalb der Kirche „die i-Tüpfelchen“ des Guten und Schönen zu entdecken und im Licht des Evangeliums zu deuten, hat mich seit dem Noviziat bewegt, den Glauben vorrangig im gesellschaftlichen Engagement zu leben.

Während meiner Entscheidung, nach der Philosophie und Theologie Ökonomie zu studieren, und während meiner Vorbereitung auf die Lehrtätigkeit in Sankt Georgen fand ich, dass er mich selbst und meine Arbeiten mit einer ungewöhnlich sympathischen und kritischen Fürsorge begleitete. Mich auf die fremde Welt der Ökonomen nicht an der Uni Frankfurt einzulassen, sondern in Bochum, kommentierte er mit den Worten, dass der Abstand zu Sankt Georgen kein Argument, aber verständlich sei. Und als ich einmal im Spätsommer nach zwei Freizeiten mit Jugendlichen sonnenverbrannt heimkehrte, fing er mich nach dem Frühstück mit der besorgten Frage ab, wie es denn mit meiner Habilitation voranginge. Wenn ich ihm einen Beitrag vorlegte, den ich publizieren wollte, konnte ich damit rechnen, dass er jeden Satz mit kritischem Blick prüfte.

Erst in den späten Jahren seines Lebens wurde Pater von Nell-Breuning vom bürgerlichen Lager entdeckt und als „Denkmal“ gepflegt. Allerdings haben die wirtschaftlichen und kirchlichen Eliten sein Engagement für die abhängig Beschäftigten, die Rolle der Gewerkschaften und die paritätische Unternehmensverfassung wenig geschätzt. Mir hat diese selektive Wahrnehmung gestattet, bei gesellschaftlichen Initiativen unter seinem Schatten und jenseits dieses Schattens ein eigenes Profil zu gewinnen. Die Resonanz des Nell-Breuning Instituts, das zu gründen der Namensträger nur zögernd zuließ, und der Elan seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dazu erheblich beigetragen.

Der Vorstoß der Familienministerin Manuela Schwesig, jungen Eltern – Männern und Frauen – eine deutliche Kürzung ihrer Erwerbsarbeit zu ermöglichen, hat mich an eine Bemerkung meines Mitbruders während der 1980er Jahre erinnert: Er könne sich vorstellen, dass auf Grund des Produktivitätsfortschritts täglich zwei Stunden Erwerbsarbeit für jeden und jede ausreichen würden, um den derzeitigen Güterwohlstand zu erhalten, während wir die restliche Zeit der Kinderbetreuung und der Begleitung älterer Menschen in der Privatsphäre oder im Ehrenamt widmen könnten. Es war und ist vorauszusehen, dass der politische Wahn einer Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis und eines ziellosen Wachstums solche Ideen erst einmal vom Tisch fegt.“

Friedhelm Hengsbach SJ

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