Berthier, Henri-Dominique


Henri-Dominique Berthier (1822–1907), Taufname Anne-Victorine, französische Dominikanerin.

Mutter Henrika Dominika gründete zusammen mit Pater Jean-Joseph Lataste die Dominikanerinnen von Bethanien.

Leben

Anne-Victorine Berthier wurde am 17. Juli 1822 in Tours, Frankreich, geboren. Ihre schon früh entwickelte Liebe zu Gott verfestigte sich durch die Erziehung ihrer sehr religiösen Mutter, sowie durch den Besuch des Pensionates der Schwestern vom Heiligen Geist.

Nach dem Tod der Mutter versuchte sie durch Gebete und Bußwerke ihren der Kirche fernstehenden Vater vom katholischen Glauben zu überzeugen. Am 31. Mai 1839 versprach sie, als privates Gelübde, Gott ein Leben in ewiger Keuschheit. Erst vier Jahre später bat sie ihren Vater um Erlaubnis in den Karmeliterorden eintreten zu dürfen. Er lehnte jedoch die kontemplative und klausurierte Ausrichtung des Ordens ab und empfahl den Eintritt in die Kongregation der Schwestern von Mariä Opferung. Die gehorsame Tochter fügte sich und begann am 25. Februar 1843 ihr Postulat.

Am 6. Oktober desselben Jahres feierte sie ihre Einkleidung und erhielt den Namen Schwester Bernhardine. Ihr Wunsch, den Werken der tätigen Nächstenliebe nachzufolgen, wurde zunächst von ihren Vorgesetzten nicht erfüllt. Nach der Ablegung der Gelübde erfolgte die Versetzung in die Armenschule von St. Fargeau. Schwester Bernhardine arbeitete dort als Lehrerin und unterrichtete den Katechismus bei sechzehn- bis siebzehnjährigen Knaben.

Vier Jahre nach ihrer Profess schickte man die junge Schwester nach Auxerre. Hier bewies sie ihr Organisationstalent. Sie errichtete ein Waisenhaus, eine Krippe, ein Asyl, einen Arbeitssaal und gründete eine Vereinigung höherer Töchter. Ihr Herz gehörte aber am meisten den sozial benachteiligten Menschen, den Armen, den Obdachlosen, den benachteiligten Kindern und den sogenannten gefallen Mädchen. Nach ihrer Tätigkeit in Auxerre reorganisierte sie in Bourret ein Erziehungshaus der Kongregation und bewahrte es vor der Schließung.

Im Sommer 1865 erfuhr Schwester Bernhardine von den Plänen des Dominikanerpaters Jean-Joseph Lataste (1832–1869). Er beabsichtigte eine religiöse, kontemplative Gemeinschaft für ehemals strafgefangene Frauen zu gründen. Während der Durchführung mehrtägiger Exerzitien im Frauenzuchthaus von Cadillac, hatte er die Probleme der Strafgefangenen kennengelernt. Viele Frauen bereuten ihre Verbrechen und suchten Trost im Gebet. Die Rückkehr in die Gesellschaft oder der Eintritt in einen Orden war für sie fast unmöglich. Pater Lataste plante für die entlassenen Frauen ein neues religiöses Zuhause. Er wollte seine Gründung »Bethanien« nennen, denn dort sollten die Frauen, nach entsprechender Prüfung mit ihren Mitschwestern als gleichberechtigte Dominikanerinnen zusammenleben und nicht als lebenslange Reuerinnen oder Büßerinnen wie dies in manch anderen Gemeinschaften möglich war.

Der Name »Bethanien« knüpft an die biblischen Gestalten im Haus der Geschwister von Bethanien: Martha, die unbescholtene, tüchtige Hausfrau, Maria, die als eine Sünderin oder Prostituierte galt, und Lazarus, der Freund Jesu.

Schwester Bernhardine fühlte sich berufen, das Vorhaben von Pater Lataste zu unterstützen und das neue Werk mitzugründen. Nach vielen Gebeten und Gesprächen mit ihrem geistlichen Berater, Pater Saudreau, erneuerte sie am 21. November 1865 ihre jährlichen Gelübde nicht mehr und verließ nach 23 Jahren die Kongregation der Schwestern von Mariä Opferung. Sie schrieb:

»Ich habe Mariä Opferung nicht aus natürlichen oder menschlichen Beweggründen verlassen, noch viel weniger aus Abneigung: diese Kongregation verdient alle Achtung und Verehrung, denn sie ist heilig und bewirkt viel Gutes. Ich habe sie also wirklich aus keinem der angeführten Gründe verlassen, um im in den Orden einzutreten, dem ich schon als Tertiarin angehörte, sondern einzig, um der Stimme meines Gewissens und dem Befehl meines Führers zu gehorchen. Und nun bin ich da, wo Gott mich erwartete, um den Zug meines Herzens zu befriedigen, dessen bin ich fest überzeugt, indem er mich zu einem Werke berief, das seinem Herzen besonders teuer ist, und mich jenes beschauliche Bußleben führen läßt, das ich so lange und so schmerzlich missen mußte. (Baumer 1937).«

Im Dominikanerinnenkloster von Cette erfolgte sofort die Einkleidung von Schwester Bernhardine, sie erhielt den neuen Namen: Schwester Henrika Dominika. Die schnelle Einkleidung erfolgte ohne die üblichen Vorbereitungszeiten, da Schwester Henrika Dominika schon den Status einer Tertiarin des Heiligen Dominikus besaß. Als sie anschließend in das Dominikanerinnenkloster von Nancy aufgenommen werden sollte, stellte sich die Einkleidung jedoch kirchenrechtlich als Irregularität dar. Die Aufnahme erfolgte nicht als Dominikanerin, sondern als Gastschwester.

Nach sechswöchigem Aufenthalt in Nancy begleitete Schwester Henrika Dominika Pater Lataste nach Besançon um die Kaufangelegenheiten für die Neugründung zu erledigen. Am 9. August 1866 unterzeichneten die Gründer den Kaufvertrag über ein altes Schloß in Frasne-le-Château. Kardinal Mathieu von Besançon gab seine Ermächtigung zur Öffnung des Hauses, und am 13. August zog die erste Postulantin und eine Konventsschwester ein. Trotz ärmlicher Verhältnisse konnten am 21. November 1866 eine Novizin ihre ersten Gelübde und Schwester Henrika Dominika die ewigen Gelübde als von der Kirche anerkannten Dominikanerin ablegen. Einen Tag später erfolgte die kanonische Ernennung und Einsetzung der Mutter Henrika Dominika als Priorin der Klostergemeinschaft von Frasne.

Bedingt durch die häufige Abwesenheit von Pater Lataste und seinen frühen Tod am 10. März 1869, lagen die Hauptaufgaben bei der Priorin. Finanzielle Probleme und Schwierigkeiten, geeignete und berufene Frauen zu finden, belasteten zunächst das Wachsen der Kongregation. Der gute Ruf der Schwestern und ihre Arbeiten in der Gefängnisseelsorge, Rehabilitation, Erziehung und in der Kriegskrankenpflege motivierte immer mehr Frauen zum Eintritt. Die Kongregation expandierte, und 1898 entstand die erste Niederlassung außerhalb Frankreichs, in Belgien. Die Priorin leitete die Kongregation bis zu ihrem Tod am 27. Februar 1907. Das Gründungsideal, die Sorge um die in Not geratenen Frauen stellte sie immer in den Vordergrund. In ihrem Nachlaß heißt es:

»Liebet die Seelen, wie unser verehrter Gründer sie geliebt hat, denn das ist unser besonderer Beruf – und betrachtet es als das größte Unglück, davon auch nur eine einzige zu verlieren, d.h. zuzulassen, daß diese lieben Kinder, die uns anvertraut sind und über die wir vor Gott einst eine furchtbare Rechenschaft abgeben müssen, das Kloster wieder verlassen. In die Welt zurückgekehrt, sind sie bald die Beute des Satans; ich kenne keine einzige, die auf dem guten Wege geblieben wäre. Setzt alles daran, daß sie bleiben, wendet alle Mittel an, Milde, Ermahnungen, mütterliche Güte, und wenn ihr ihnen gegenüber alle diese Mittel erschöpft habt, so bleibt euch immer noch eine Waffe, um sie zu retten, die mächtigste von allen, nämlich die Macht des Gebetes und der Tränen… (Baumer 1937).«

Während des Ersten Weltkrieges mußten die deutschen Schwestern aus Frankreich fliehen und gründeten den Umständen der Zeit folgend eine rechtlich selbständige Kongregation in Venlo, Niederlande. Die Schwestern folgten zunächst dem von Frankreich und Belgien mitgebrachten Lebensstil, seit den 40-er Jahren arbeiten sie in sozialpädagogischen und karitativen Einrichtungen in den Niederlanden, Deutschland, Italien, Lettland und Aruba (niederländische Antillen).

Die Schwestern der Kongregation von Bethanien-Montferrand leben in Frankreich, Belgien, Schweiz, Italien, Österreich, USA und Großbritannien. Sie haben den kontemplativen Lebensstil beibehalten.

Literatur

  • Baumer, Kilian, Mutter Henrika Dominika, Freiburg/Schweiz 1937
  • Emmanuelle-Marie, Angenommen – wie ich bin, Freiburg/Schweiz 1991
  • Evers Robert und Claude, Apostel der Gefängnisse, Freiburg/Schweiz 1948
  • Feid, Anatol, Flohr Florian, Frohe Botschaft für die Gefangenen, Leben und Werk des Dominikaners Lataste, Mainz 1978

Weblink

Ulrich Füsser

Letzte Änderung: 24. April 2008 

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