Molitor, Raphael


Raphael Molitor OSB (1873–1948), deutscher Benediktiner, Kirchenrechtler und Choralwissenschaftler; erster Abt der Benediktinerabtei Gerleve und erster Abtpräses der Beuroner Kongregation.

Leben

Abt Raphael Molitor mit dem Brustkreuz aus dem Nachlass des Freiburger Erzbischofs von Vicari, das er zu seiner Benediktion geschenkt bekommen hatte.

Abt Raphael Molitor mit dem Brustkreuz aus dem Nachlass des Freiburger Erzbischofs Hermann von Vicari, das er zu seiner Benediktion geschenkt bekommen hatte.

Der Sohn eines Lehrers und Domkapellmeisters von Leitmeritz erwarb sich nach der Volksschule unter Anleitung seines Vaters so großes Können im Orgelspiel und umfassende Kenntnisse in Musiktheorie, dass er bereits als 17-jähriger zum königlichen Stiftsorganisten der Abtei Emaus in Prag ernannt wurde, wo auch schon sein Bruder als Organist tätig war. Auf dem Weg dorthin bat er jedoch 1890 – wie auch zwei seiner Brüder – in Beuron um Aufnahme. Nach dem Noviziat und dem Studium in Beuron studierte er noch zwei Jahre Dogmatik und Kirchenrecht in Sant’Anselmo und wurde nach der Priesterweihe Dozent für Dogmatik, Kirchenrecht und Moraltheologie in Beuron. Außerdem versah er gemeinsam mit seinem Bruder Georg auch das Amt des Organisten.

Nach umfangreichen Archivstudien in Italien veröffentlichte Molitor seit 1901 zahlreiche wissenschaftliche Studien v.a. auf dem Gebiet der Musikgeschichte (»Die nachtridentinische Choralreform zu Rom«, 1901). 1904 erschien sein Buch über »deutsche Choralwiegendrucke«, das er Papst Pius X. in einer Privataudienz überreichte, der ihn daraufhin zum Konsultor der Päpstlichen Kommission für die Kirchenmusik ernannte. So konnte Molitor wesentlich an der Herausgabe des »Graduale Romanum« (1908) mitwirken. Auch an der Herausgabe des kirchlichen Gesetzbuches CIC (1917) war er als Konsultor der päpstlichen Kommission zur Neuordnung des Kirchenrechts beteiligt. 1931 wurde er in Münster zum Doktor der Theologie promoviert.

Nach dem frühen Tod des bisherigen Priors Chrysostomus Stelzer (2. Feb. 1905) sandte ihn Erzabt Placidus Wolter als Prior nach Gerleve – ein autoritärer Akt und ein klarer Verstoß gegen das Ordensrecht, das eine Wahl des Oberen durch das Mönchskapitel vorsieht. Obwohl als Musiker und Wissenschaftler nicht gerade prädestiniert für die Aufgaben eines Klostervorstehers, führte er Kloster und Konvent so erfolgreich, dass ihn der Erzabt im November des folgenden Jahres zum Abt ernannte. Am 16. Dezember 1906 erhielt er im Dom zu Münster die Weihe (→Benediktion).

Amtszeit als Abt

Abt Raphael kurz nach der Rückkehr aus dem Exil, 1945

Abt Raphael kurz nach der Rückkehr aus dem Exil, 1945

Abt Raphael eröffnete ein eigenes Noviziat, um die Selbständigkeit Gerleves zu fördern. Er führte den Konvent erfolgreich durch die Zeit des Ersten Weltkriegs, in dem fünf Gerlever Mönche fielen, und die Wirren der Weimarer Republik. Er setzte den Bau der Abteigebäude, insbesondere des Südflügels mit Refektorium und Kapitelsaal, fort, konnte ihn aber nicht vollenden. Die Kirche ließ er in zeitgenössischem Geschmack ausstatten und 1914 mit einer Heizung versehen. 1928 wurde das Klosterhotel zu einem Exerzitienhaus (»Ludgerirast«) umgestaltet und zusätzlich ein Jugendgästehaus errichtet.

Besonderen Wert legte Molitor auf die Pflege des Chorals, den Aufbau der Klosterbibliothek und die wissenschaftliche Ausbildung der Mönche. Einige von ihnen gelangten als Theologen, Historiker oder Musikwissenschaftler zu hohem Ansehen. Mehrere übernahmen Lehrstühle an der ordenseigenen Hochschule Sant’Anselmo in Rom.

Personell erlebte das Kloster unter Molitors Leitung einen rasanten Aufschwung. 1936 gehörten ihm 100 Mönche – Patres und Laienbrüder – an, die überwiegend aus Westfalen und dem Rheinland, aber auch aus anderen Regionen Deutschlands und der Nachbarländer stammten.

Als die Beuroner Kongregation auf dem 14. Generalkapitel in Neresheim 1936 wegen der Emigration des Erzabtes Raphael Walzer auf Weisung Roms ihre Leitung vom zentralistischen Erzabt-System auf das föderalistische Abtpräses-System umstellte, wurde Molitor zum ersten Präses der Kongregation gewählt. Er behielt dieses Amt bis zu seinem Tod.

Wahrend der Aufhebung des Klosters und der Vertreibung der Mönche durch die Nationalsozialisten 1941 bis 1945, lebte Molitor überwiegend in Süddeutschland. 1945 kehrte er nach Gerleve zurück. Am 14. Oktober 1948 starb er während des ersten Nachkriegsgeneralkapitels der Kongregation in Beuron und wurde in der Gerlever Abteikirche beigesetzt. Zum Nachfolger wählt der Konvent den bisherigen Prior Pius Buddenborg.

DatenFidelis-Engelbert; * 2. Feb. 1873 (Sigmaringen); † 14. Okt. 1948 (Beuron); V.: Johann Baptist Molitor (1834–1900), Lehrer, Chorleiter, Organist, Domkapellmeister in Leitmeritz; M.: Maria Glas (1836–1884); Vest.: 1890 (Beuron); Prof.: 27. Dez. 1891 (Beuron); Sac.: 14. Okt. 1897 (Beuron); Abbas: nom. 10. Nov. 1906, ben. 16. Dez. 1906; Vince in bono – Siege durch Güte (Röm 12, 21).

Werke

  • Die nachtridentinische Choralreform zu Rom. Ein Beitrag zur Musikgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. 1901/2 (Nachdruck Hildesheim, 1967)
    1. Band I: Die Choral-Reform unter Gregor XIII. – Leipzig: Leuckart, 1901
    2. Band II: Die Choral-Reform unter Klemens VIII. und Paul V. – Leipzig: Leuckart, 1901
  • Religiosi Iuris Capita Selecta, adumbravit Raphael Molitor OSB, Abbas St. Joseph in Guestfalia. – Regensburg: Pustet, 1909
  • Aus der Rechtsgeschichte benediktinischer Verbände – Untersuchungen und Skizzen. Münster: Aschendorff, 1929
    1. Band I: Verbände von Kloster zu Kloster.
    2. Band II: Verband und Exemtion.

Literatur

  • Steidle, Basilius: Abtpräses Raphael Molitor †. In: Benediktinische Monatsschrift (BenM) 24 (1948) 463ff.
  • Österle, Gerhard: Abt Raphael Molitor als Schriftsteller des Ordensrechtes. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige (SMGB) 73 (1962) 14–40
  • Senger, Basilius: Molitor. In: SMGB, Ergänzungsband 29/2 (1987) 614ff.
  • Uhlenbrock, Martin: Molitor, Raphael. In: Neue deutsche Biographie, Bd. 17 (1994) 727f.
  • Molitor, Raphael: Benediktinerabt, Musik- und Kirchenrechtswissenschaftler, 1873–1948. In: Württembergische Biographien (WB) I (2006) 181

Weblink


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Letzte Änderung: 1. Mai 2010 

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