Oratorium


Oratorium WappenDer Gründer des Oratoriums, der Heilige Philipp Neri lebte im 16. Jahrhundert, mitten in einer Zeit der politischen und spirituellen Umbrüche. Er wird 1515 in Florenz als Sohn eines Notars geboren. Im Dominikanerkonvent San Marco erhält er seine religiöse Erziehung und erste Ausbildung. Anfang der dreißiger Jahre verlässt er Florenz aufgrund der politischen Wirren und siedelt sich in San Germano am Fuß des Monte Cassino an. Die Begegnung mit den dortigen Benediktinermönchen ist ausschlaggebend für seine Hochschätzung der Liturgie und der Wüstenväter. 1534, mit 19 Jahren, geht er nach Rom. Der Besuch der Apostelgräber und der Katakomben führt zu einer inneren Wandlung. Philipp widmet sich vernachlässigten Kranken und Pilgern und kommt in seiner liebenswürdigen Art mit vielerlei Menschen in Kontakt.

Spiritualität Philipp Neris

Geistlich ist Philipp auf der Suche nach einer unmittelbaren Begegnung mit Gott. Deshalb steht für ihn und seine Gemeinschaft das Lesen in der Bibel an vorderster Stelle. Die Heilige Schrift soll jeder lesen als ein Buch, das ihn direkt und ganz persönlich anspricht – eine damals unerhörte Sicht der Bibel. Seine Gebete (nur sehr wenige sind überliefert, da Philipp eigenhändig seine Schriften verbrannte) leben aus einer tiefen Unmittelbarkeit zu Gott und zur Gottesmutter Maria.

Entstehung des Oratoriums

Bereits 1544 (als er noch Laie ist) sammelt sich ein Kreis meist junger Menschen um Philipp Neri, die mit ihm das Evangelium oder ein Buch der kirchlichen Reform lesen und besprechen. Philipps Biograph Ponelle-Bordet berichtet, Philipp habe einmal von sich selbst gesagt, „er habe von sich aus Gott als Laie dienen wollen, nicht als Priester und Beichtvater.“ Auch nach seiner Priesterweihe 1551 lebt die Gemeinschaft um Philipp weiter. Die Zusammenkünfte, die mit der Zeit in einen Raum unter dem Dach der Kirche San Girolamo verlegt werden, finden Ergänzung durch abendliches Gebet (daher der Name „Oratorium“ – „Gebetsraum“), Krankendienst und spontane Unternehmungen. Die Gruppe um Philipp wird 1575 bei der Kirche Santa Maria in Vallicella als Gemeinschaft des Oratoriums nach den Regeln des Kirchenrechts errichtet.

Eigenheiten des Oratoriums

Nach dem ausdrücklichen Willen des heiligen Philipp Neri soll sich das Oratorium von Ordensgemeinschaften deutlich unterscheiden. Seine Mitglieder sollen weder durch Gelübde noch durch Versprechen, sondern allein durch das Band brüderlicher Liebe verbunden sein. Leitbild ist das unbefristete familiäre Miteinander, das Versetzungen zwischen den Häusern nicht vorsieht. Nach der Art ihres Gründers sollen die Oratorianer den Menschen zur Verfügung stehen, wie es der jeweilige Ort und die jeweilige Zeit erfordert. Faktisch ist das Oratorium in Mitteleuropa eine Priestergemeinschaft, auch wenn die Mitgliedschaft nicht auf Ordinierte beschränkt ist. Laienmitglieder gibt es nur in sehr wenigen Gemeinschaften. Meist sind die Priester (wenigstens einige in jedem Oratorium) im Dienst der Ortskirche, etwa in der Seelsorge als Pfarrer in Gemeinde, Hospiz oder Klinik.

Jedes Haus regelt seine Belange eigenverantwortlich. Es gibt weder einen Provinzial noch einen Generaloberen. Die Gemeinschaften pflegen einen freundschaftlichen Kontakt und haben sich dazu in der Deutschen Föderation zusammengeschlossen. Weltweit bilden die Oratorianer eine Konföderation (geleitet von einem Generalprocurator), die alle sechs Jahre die gemeinsamen Angelegenheiten auf einem Kongress berät und entscheidet.

Das Oratorium in Deutschland

Am Ende des 17. Jahrhunderts kommt das Oratorium erstmals nach Deutschland. 1692 gründet Johann Georg Seidenbusch das erste Oratorium in Aufhausen bei Regensburg. Bald folgen ein zweites in Wien und ein drittes in München. Diesem ist ein Hospital angegliedert, in dem die Oratorianer Kranke betreuen. In der Zeit der Säkularisation gehen diese Oratorien jedoch wieder unter. 1930 wird nach über 100-jähriger Unterbrechung im deutschsprachigen Raum ein neues Oratorium in Leipzig gegründet. 1954 folgt die Wiedererrichtung in München. Weltweit sind die meisten Oratorien in Italien zu finden, zahlreiche auch in Spanien, Polen und Deutschland. Hier existieren Oratorien in Leipzig(seit 1930), München (1954), Aachen (1956), Frankfurt a.M. (1956), Dresden (1961), Heidelberg (1968), Celle (1992), Ilsede(1997).

Neben den errichteten Gemeinschaften des Oratoriums gibt es auch verschiedene Gruppen und einzelne Menschen, die sich an der Person und der Spiritualität Philipp Neris orientieren, z.B. die „Menschen im Geist des Oratoriums“ und die Münchener Oratoriumsfreunde. In Deutschland haben sich die Kongregationen zur „Deutschen Föderation des Oratoriums“ zusammengeschlossen. Diese Föderation bietet Einzelpersonen oder Gruppen, die in der Spiritualität Philipp Neris leben, eine „assoziierte Mitgliedschaft“ an.

Weblinks

Christof Heimpel

Letzte Änderung: 30. April 2008 

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