Postel, Maria Magdalena
Maria Magdalena Postel SMMP (1756–1846), französische Ordensfrau; Gründerin und erste Oberin der Kongregation der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel.
Als Gründerin des Ordens der »Armen Töchter von der Barmherzigkeit« (Pauvres Filles da Miséricorde) ist die heilige Maria Magdalena Postel (1756–1846), geborene Julie Postel, bekannt geworden. Das Ideal ihrer Gemeinschaft war ein Leben in Armut, fern von staatlicher Bevormundung und geprägt von einem Geist, in dem Wort und Tat nicht auseinanderklaffen. Zu den wichtigsten Aufgaben der Kongregation gehörte die Unterrichtung von Kindern, die in fortschrittlichem Geist erfolgte.
Julie (Françoise Catherine) Postel wurde am 28. November 1756 als Tochter eines Seilers in dem normannischen Fischerdorf Barfleur am Ärmelkanal geboren. Nach einer unzureichenden Schulausbildung kam sie 1768 zu den Schwestern der »Königlichen Benediktinerinnenabtei« in Valognes und erhielt dort Unterricht. In diesem Kloster hat man adlige Töchter zur feudalen Haushaltsführung und glanzvollen Repräsentation erzogen.
In der »Königlichen Benediktinerinnenabtei« empfand Julie Postel die Fragwürdigkeit einer aristokratischen Gesellschaftsform, deren Luxus auf der Ausbeutung der bäuerlichen Bevölkerung basierte. Im Alter von 18 Jahren verließ sie die Abtei, wo man sie gerne als Schwester behalten hätte, und ging in ihren Heimatort zurück.
1774 eröffnete Julie Postel in Barfleur eine Schule mit Internat für Mädchen der ärmeren Bevölkerung und für Waisen. Statt auf den Rohrstock vertraute sie auf die kindliche Einsicht. An die Stelle mechanischen Einpaukens trat der Dialog sowie die Rücksichtnahme auf die kindliche Vorstellungswelt. Unterrichtsziel war neben der Beherrschung des Stoffes auch die gegenseitige Hilfe der Lernenden.
Während der Französischen Revolution (1789–1799) bewies Julie Postel großen Mut und Entschlossenheit: Sie engagierte sich für die Aufrechterhaltung des kirchlichen Lebens im Untergrund, beherbergte unter Lebensgefahr verfolgte Priester, die den Eid auf die neue Verfassung verweigerten, und verhalf ihnen zur Flucht nach England.
1805 verließ Julie Postel ihren Heimatort Barfleur, um sich in der Hafenstadt Cherbourg dem Unterricht und der Erziehung junger Menschen zu widmen. Dort übertrug man ihr die Leitung einer Schule mit 300 Kindern.
Mit drei gleichgesinnten Frauen gründete die 51-jährige Julie Postel am 8. September 1807 die Gemeinschaft der »Armen Töchter von der Barmherzigkeit«. Die Kongregation setzte sich zum Ziel, die Jugend zu unterrichten, die Armen zu unterstützen und nach Kräften die Not zu lindern. Julie Postel wählte für sich den Ordensnamen »Marie Madeleine« und leitete die Gemeinschaft bis zu ihrem Tod.
In der Konstitution der Kongregation legte die Gründerin fest: »Niemals eröffnet Reichtum Eintritt in dieses Haus, sondern nur echte Berufung. … Keine Schwester der Barmherzigkeit darf sagen: ich habe soundsoviel mitgebracht, andere dagegen gar nichts, ja sie darf solches nicht einmal denken, denn wir behandeln alle unsere Mitglieder gleich. Wir wollen nämlich den Geist der ersten Christen wieder lebendig machen, die ein Herz und eine Seele waren.«
Während der Zeit von 1811 bis 1832 wuchs die Zahl der Schwestern stark an. Nach Aufenthalten in Octeville l’Avenel, Tamerville, Valognes, Le Hamel-au-Bon und wieder in Tamerville kaufte die Ordensgründerin 1832 eine verfallene Benediktinerabtei in Saint-Sanveur-le-Vicomte südlich von Cherbourg. Dort gründete sie das Mutterhaus der Gemeinschaft.
Die Sorge von Maria Magdalene Postel galt den ihr anvertrauten Kindern, Jugendlichen, Kranken und Notleidenden sowie der spirituellen Prägung ihrer Gemeinschaft. Mit unerschütterlichem Gottvertrauen widmete sie sich dem Aufbau der Abteikirche und des Klosters zum Mutterhaus.
Am 16. Juli 1846 starb Maria Magdalena Postel im Alter von 89 Jahren in ihrem Mutterhaus in Saint-Saveur-le-Vicomte. Damals umfasste ihre Kongregation 37 Niederlassungen mit insgesamt 150 Schwestern. Papst Pius XI. (1857–1939) sprach Maria Magdalena Postel 1925 heilig. Man begeht ihren Gedenktag am 16. Juli.
1862 schlossen sich in Eichsfeld (Thüringen) vier junge Lehrerinnen – Margarete Engelhardt (1833–1916), Emilie Hartleb (1821–1897), Pauline Koch (1831–1917) und Emilie Strecker (1826–1907) – der Gemeinschaft an und begründeten den deutschen Ordenszweig. Seit 1920 ist die deutsche Ordensprovinz eine selbständige Kongregation mit dem Namen »Schwestern der hl. Maria Postel« (SMMP). Vom Mutterhaus in Heiligenstadt (Thüringen) aus erfolgen in den 1920er und 1930er Jahren Neugründungen in den Niederlanden, Bolivien und Brasilien.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Mutterhaus in Heiligenstadt durch die innerdeutsche Grenze von den Niederlassungen in Westdeutschland getrennt. Aus diesem Grund verlegte die Ordensleitung 1947 den Sitz nach Geseke (Nordrhein-Westfalen). 1968 zog die Generalleitung der Ordensgemeinschaft in das neu erbaute Mutterhaus, das Bergkloster Bestwig in Nordrhein-Westfalen.
International gibt es heute etwa 450 »Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel« in 40 ordenseigenen und 30 anderen Einrichtungen. In Deutschland widmen sie sich der Vorschulpädagogik, den Schulen, der Jugendarbeit, der Fort- und Weiterbildung, der Gesundheits- und Altenhilfe, der Hospizbewegung, der Pastoralarbeit und der Mission.
aus:
Ernst Probst: Superfrauen 2 – Religion (GRIN)
Literatur
- Ulrich Füsser: Postel, Julie. In: BBKL XXVII (2007) Spalten 1076–1080
- Ernst Probst: Heilige Maria Magdalena Postel: Fortschrittliche Pädagogik war ihr Ziel. In: Superfrauen 2: Religion – Hamburg, 2000
- Pierre de Crisenoy: Sainte Marie-Madeleine Postel. – Paris: Bonne Presse, 1938
- Georges Grente: Une Sainte normande: Marie-Madeleine Postel. – Paris: Bonne presse, 1945
Literarische Verarbeitung
Hünermann, Wilhelm: Tochter des Sturms. – Fulda, Kehl, 2006 (Neuauflage der Originalausgabe Die Seilertochter von Barfleur, Freiburg 1962)
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Nachtrag:
Postels Nachfolgerin wurde am 5. September 1846 die ebenfalls aus der Normandie stammende Sr. Placida Viël (1815–1877). Sie gründete etwa hundert Häuser und dehnte den Orden nach Deutschland aus, wo sich am 7. Oktober 1862 vier junge Lehrerinnen in Heiligenstadt im Eichsfeld, Thüringen, der Gemeinschaft anschlossen. Am 6. Mai 1951 wurde Schwester Placida Viel von Pius XII. seliggesprochen.
Letzte Änderung: 17. April 2015
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