Schervier, Franziska


Franziska Schervier SPSF (1819–1876), Gründerin der Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus (Aachener Franziskanerinnen oder Schervier-Schwestern).

Zu den führenden Gestalten des sozialen Katholizismus im 19. Jahrhundert zählt die Gründerin des Ordens der »Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus«, die selige Franziska Schervier (1819–1876). Die von ihr aus der Taufe gehobene Genossenschaft half vor allem straffällig gewordenen Frauen, betreute aber auch Kranke ambulant und kümmerte sich um Bedürftige. Franziska wurde als »Mutter der Armen« und als »Franziska von Aachen« verehrt.

Leben

Franziska Schervier

Franziska Schervier

Franziska Schervier kam am 3. Januar 1819 als eines von sieben Kindern des Nadelfabrikanten und beigeordneten Bürgermeisters Johann H. C. Schervier und seiner aus Frankreich stammenden Frau Marie Louise Victorie in Aachen zur Welt. Ihr Taufpate war Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835), der im Spätherbst 1818 die Nadelfabrik besichtigt hatte. Er wünschte, das zu erwartende Kind solle Franz heißen, doch da es ein Mädchen wurde, nannte man es Franziska und gab ihm den Kosenamen „Fränzchen“

Franziska besuchte die private katholische höhere Töchterschule St. Leonhard. Dort übte die Lehrerin und Dichterin Luise Hensel (1798»1876), von der das Werk »Müde bin ich, geh’ zur Ruh« stammt, einen großen Einfluss auf sie aus. Luise Hensel war die Tochter eines evangelischen Predigers, trat später zum katholischen Glauben über und vermittelte Franziska die Sorge für Arme und Kranke.

Schulkameradinnen von Franziska Schervier waren Klara Fey (1815–1894) und Pauline von Mallinckrodt (1817–1881), die später Kongregationen gründeten. Franziska Schervier, Klara Fey und Pauline von Mallinckrodt gelten als das »Aachener Dreigestirn«. Alle drei haben die Begriffe Hingabe, Vertrauen und Sorge um den Mitmenschen in die Tat umgesetzt.

Im Alter von 13 Jahren musste Franziska den Tod ihrer Mutter beklagen. Kurz danach starben ihre zwei älteren Schwestern. Damit wurde die 14-Jährige über Nacht zur Herrin eines anspruchsvollen Haushalts. Sie lernte zu planen und zu führen und nutzte die Freiheit, mehr für die Armen zu tun, als es ihr vorher möglich war. Dem Vater gefiel zwar nicht alles, was Franziska tat, aber er bewunderte ihre wachsende Selbstständigkeit und ließ sie gewähren.

Einige Jahre später schloss sich Franziska einem Kreis junger Damen an, die mehr tun wollten, als nur Almosen zu geben: Sie pflegten Kranke, verbanden Wunden, wuschen schmutzige Kinder, flickten zerrissene Kleidung und säuberten Wohnungen. Viele vornehme Standesgenossen rümpften über diese Werke der Nächstenliebe die Nase, aber einfache Leute sprachen respektvoll von den »heiligen Fräulein«.

Zusammen mit dem an der Kirche St. Paul in Aachen als Seelsorger wirkenden Kaplan Johann Josef Istas (gest. 1843) richtete Franziska Schervier eine »Johannisküche« ein, die arme Familien mit einem warmen Mittagessen versorgen sollte. Hierfür erbettelte Franziska täglich Holz, Kohle sowie auf dem Markt übriggebliebene Nahrungsmittel. Kurz vor dem Tod des Vaters 1845 gab sie die Führung des Haushalts an eine jüngere Schwester ab.

Franziska SchervierZu Pfingsten 1845 gründete Franziska Schervier die Genossenschaft der »Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus«, die sie als Vorsteherin leitete. Die Konstitutionen dieses Ordens sahen vor, dass die Genossenschaft kein Geld besitzen und auf Spenden angewiesen sein sollte. Vor der Gründung hatte sich Franziska bei den Kreuzschwestern in Lüttich (Belgien) kundig gemacht. Am Vorabend des Franziskusfestes 1845 fing das Zusammenleben der jungen Frauen in dem Haus am Jakobstor an.

Als erstes versorgten die »Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus« die Bedürftigen in den Aachener Pfarreien St. Paul und St. Jakob mit Essen. In das Haus am Jakobstor nahmen die Schwestern im Laufe der Zeit auch insgesamt bis zu 30 junge Prostituierte auf, die wegen Arbeitslosigkeit, Unerfahrenheit und Verführung zu Dirnen geworden waren. Als ein Mädchen rückfällig wurde, ging Franziska in Männerkleidung ins Bordell und holte es heraus.

1848 bezogen die »Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus« ein altes Dominikanerkloster bei St. Paul in Aachen. 1849 richteten sie in Burtscheid im Jonastor eine Krankenpflegestation ein. Daraus ging später das Marienhospital hervorging, das bereits 1889 über 180 Betten verfügte.

Am 12. August 1851, dem Namenstag der heiligen Klara, wurden die ersten 24 Armen-Schwestern in der Aachener Kirche St. Paul eingekleidet. 1852 kaufte Mutter Franziska das zu Beginn des 19. Jahrhunderts säkularisierte Aachener Klarissenkloster in der Kleinmarschierstraße, das zum Mutterhaus wurde. Die ersten 24 Schwestern legten am 25. August 1852 in St. Paul die ewigen Gelübde ab.

Das Mitgefühl von Franziska Schervier galt vor allem gestrandeten Menschen. Gütig und sanft half sie Prostituierten und weiblichen Strafgefangenen. Acht Mal begleitete sie sogar zum Tode verurteilte Männer auf ihrem letzten Weg bis zum Schafott. Auf diesem Engagement beruht ihr Ehrentitel »Mutter der Armen«.

Im September 1858 wurde in Cincinnati (Ohio) die erste Niederlassung der Armen-Schwestern in den USA gegründet. Franziska Schervier reiste zwei Mal in die Vereinigten Staaten und gründete dort Ordensniederlassungen und Einrichtungen für Arme. Die erste Fahrt nach Nordamerika trat sie im Juni 1863 an, wobei sie die Wirren des amerikanischen Bürgerkrieges (1861–1865) erlebte, die zweite im April 1868.

1864 wurden die Armen-Schwestern von Preußen und Österreich im deutsch-dänischen Krieg zum Lazarettdienst angefordert. 1865 stattete Königin Augusta von Preußen (1811–1890) der damals gerade kranken Mutter Franziska in Aachen einen Besuch ab. Auch im deutsch-österreichischen Krieg 1866 pflegten die Armen-Schwestern verwundete Soldaten. Während des deutsch-französischen Krieges 1870/1871 betreuten sie etwa 20 Lazarette und halfen Tausenden von Verwundeten.

Am 14. Dezember 1876 starb Franziska Schervier im Alter von 57 Jahren in Aachen. Bei ihrer Beisetzung auf dem Ostfriedhof unter der Kreuzwegstation »Veronika reicht Jesus ihr Schweißtuch dar« läuteten alle Kirchenglocken der Stadt. Im Juli 1880 wurde sie in das Kloster an der Kleinmarschierstraße in Aachen umgebettet. Am 14. Dezember 1973 trug man ihre Gebeine aus der Krypta des Mutterhauses in die Kapelle und setzte sie dort bei.

Papst Pius X. (1835–1914) bestätigte am 12. Oktober 1901 den Orden der »Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus«. Im September 1912 wurde der Prozess zur Seligsprechung der Ordensgründerin eingeleitet. 61 Jahre später nahm Papst Paul VI. (1897–1978) am 28. April 1974 Franziska Schervier im Petersdom in den Kreis der Seligen auf. Ihr Gedenktag wird am 14. Dezember begangen.

1959 verselbstständigten sich die amerikanischen und italienischen Niederlassungen als Kongregation der »Franziskanerinnen der Armen«. Die deutsche Gemeinschaft hat Niederlassungen in Deutschland und Belgien, die amerikanische Gemeinschaft in den USA, Brasilien, Italien und im Senegal.

aus:
Ernst Probst: Superfrauen 2 – Religion (GRIN)

Literatur

  • Engels-Fietzek, Petra: Franziska Schervier: Worte allein vermögen nichts. (= TOPOS-plus-Biografie 502) – Mainz: Matthias-Grünewald, 2003
  • Franziska von Aachen: ein Leben nach dem Evangelium; Betrachtungen zum 100. Todestag der seligen Franziska Schervier., hrsg. von den Armen-Schwestern vom Heiligen Franziskus – Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1976
  • Walter Troxler: Schervier, Franziska. In: BBKL IX (1995) Spalten 170–171

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Letzte Änderung: 17. April 2015 

Kommentare

Ein Kommentar zu “Schervier, Franziska”

  1. Alexandra Muthny
    5. September 2014 16:59

    Sehr geehrte Schwestern!
    Ich bin Alexandra Muthny, 41 Jahre alt. Als ich 17 war, habe ich eine Woche in einem Kloster in oder bei Lüttich verbracht. Ich weiß nur noch, dass der Ort „Méhagne“ oder „Morenhaye“ hieß. Es waren Schwestern, die in einem Altenheim tätig waren. „Les pauvres soeurs de l’enfant Jésus“ ? Ich glaube, dass die Ordensgründerin Franziska Schervier war. Die damalige Oberin hieß auch Sr. Franziska und hat mit mir ein Gespräch geführt.
    ich würde wirklich LIEBEND GERNE (!!!) nochmal in dieses Kloster fahren. Ob es dieses Kloster wohl noch gibt?
    Vielleicht können Sie mir antworten, vielen Dank im Voraus!
    Ihre Alexandra Muthny (Magister in Anglistik, Französisch und Spanisch) aus Bonn

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