9. April 2013

Isa Vermehren – eine außerordentliche Zeugin des Glaubens im 20. Jahrhundert

Ein am Ostermontag ausgestrahlter ZDF-Film vermittelt das Lebenszeugnis einer außerordentlichen Zeitzeugin des 20. Jahrhunderts: der Ordensfrau Isa Vermehren

»Ich bin nicht immer laut...« Isa Vermehren bei der Verleihung des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen durch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers 2005 (Foto: LPA NRW)

»Ich bin nicht immer laut...« Isa Vermehren bei der Verleihung des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen durch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers 2005 (Foto: LPA NRW)

Isa Vermehren (1918–2009) wuchs in einer der besten Lübecker Familien auf. Schon ihr Großvater war Senator der Hansestadt. Ihre Mutter, eine couragierte Journalistin, verließ nach der Machtergreifung der Nazis die Kleinstadt und ging mit ihren Kindern nach Berlin, um wieder mehr Luft zum Atmen zu haben. Isa Vermehren schildert in einem Interview selbst, dass der christliche Glaube protestantischer Provenienz eigentlich in ihrer Familie und Heimatstadt so gut wie gar nicht in Erscheinung trat und dass der Religionsunterricht, den sie dort erhalten hatte, eigentlich nicht den Namen verdiente, so genannt zu werden. Wegen der Verweigerung, die Naziflagge zu grüßen, musste sie das Lübecker Mädchen-Lyzeum verlassen. Dies tat sie vor allem aus Solidarität zu ihrer jüdischen Mitschülerin, der dieser Gruß verboten war. In Berlin tritt die Fünfzehnjährige als Sängerin im Kabarett „Katakombe“ auf und macht verschiedene Plattenaufnahmen. Sie erhält auch ein paar Rollen in Filmen. Zwanzigjährig trat Isa Vermehren 1938 in die katholische Kirche ein. Wie sie schon im oben genannten Interview sagt, trieb sie die Frage nach Gott zu diesem Schritt. Gottes Evidenz erfuhr sie in Jesus Christus als gegebene Wirklichkeit. Von diesem Moment gab es kein Zurück mehr, sondern nur noch eine Zukunft mit dem von ihr gefundenen lebendigen Gott.

Als Anfang 1944 ihr Diplomatenbruder in der Türkei zu den Briten „überlief“, wurde Isa Vermehren mit ihrer Familie in Sippenhaft genommen und erlebte die Unmenschlichkeit der Konzentrationslager Ravensbrück, Buchenwald und Dachau. Ihr schon 1946 erschienenes Buch „Reise durch den letzten Akt. Ravensbrück, Buchenwald, Dachau: eine Frau berichtet“ durchbrach die Mauer des Schweigens und der vorherrschenden Meinung des „Nicht-sehen-Wollens“ und des „Von-nichts gewusst zu haben“. Eine kurze Zeit geht sie, wie schon vor 1944, wieder zum Film. Erst 1951 folgt ihr Eintritt in den Sacré-Cœur-Orden. Zwölf Jahre vorher hatte sie schon einmal um Aufnahme gebeten. Damals wurde ihr von der Ordensoberin nur gesagt: „Ja, eintreten, das wollen am Anfang alle Konvertiten, gehen Sie erst einmal und machen ein Studium an der Universität“ (siehe Interview). Was anderen als Bruch erschien, war in ihrem Leben nur eine logische Folge, eine Konsequenz und Kontinuität auf ihrem Lebensweg, der freilich manche Schlingen aufweist. Diese Umwege halfen ihr aber auf ihrem Weg zu Gott. Als sie 1983 ihre Laufbahn als Lehrerin und Schulleiterin in Bonn-Beuel und Hamburg beendete, begann für sie noch eine zwölfjährige neue Aufgabe als „Verkünderin der Frohen Botschaft“. Wie keine zweite Frau dieser Jahre verstand sie es regelmäßig, das „Wort zum Sonntag“ in der ARD als Forum zu nutzen, um die Frohe Botschaft Christen und Nicht-Christen nahe zu bringen. Das machte sie schon damals zur bekanntesten Ordensfrau in Deutschland.

Der am Ostermontag im ZDF ausgestrahlte Film „Ein weites Herz“ hat einen wichtigen Teil ihrer Lebensgeschichte einem Millionenpublikum neu vermittelt, denn den meisten der Zuschauern wird das Leben der Kabarettistin, Filmschauspielerin und späteren Ordensfrau Isa Vermehren gänzlich unbekannt gewesen sein.

Die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung „Bild“ schrieb am Osterdienstag „Millionen sahen Film über Isa Vermehren. Kritik an ZDF-Drama „Ein weites Herz“. So wies Bild schon auf die von der wirklichen Lebensgeschichte abweisenden Stellen des Films hin.

Schon am Karsamstag hatte die Frankfurter Allgemeine (FAZ, 30.3.2013, S. 42) eine Filmkritik von Hannah Lühmann unter dem Titel „Eine Seefahrt ist nicht lustig. Das ZDF kommt mit der Geschichte der Ordensschwester Isa Vermehren nicht zurecht“, veröffentlicht.

Hierin wird vor allem kritisiert, dass die Filmemacher, „Glauben, ein religiöses Erweckungserlebnis durch ein plakative zur Schau gestellte erotische Dreierverstrickung plausibel machen zu müssen.“ Denn „Die Echte“ Isa Vermehren hat stets darauf hingewiesen, dass kein Trauma, keine enttäuschte Liebe sie ins Kloster getrieben habe.“

In diesem Zusammenhang kann ich nur auf das schon im Jahr 2002 ausgestrahlte Interview mit Volker Kühn hinweisen: „Zeugen des Jahrhunderts. Isa Vermehren im Gespräch“, das in you-tube abrufbar ist. Obwohl Schwester Isa Vermehren damals schon an der Parkinsonkrankheit litt, spricht sie in dem fast einstündigen Interview, in beeindruckender Klarheit und Offenheit von den Erfahrungen und Erkenntnissen ihres Lebens als Kabarettistin, Schauspielerin, Lehrerin und Ordensfrau.

Die Welt lässt die Schauspielerin Nadja Uhl, die im Film Isa Vermehren darstellt, zu Wort kommen: „Mein Interesse am Glauben hat sich verstärkt. Früher hätte ich das niemals getan, weil das uncool gewesen wäre.“ Nadja Uhl ist von Isa Vermehren, die in schwierigsten politischen und menschlichen Situationen mutig und glaubensstark blieb, sehr beeindruckt. „So ein Mensch ist ein Geschenk“. (http://www.welt.de/print/wams/hamburg/article114899081/Das-Leben-der-Nonne-Isa-Vermehren.html)

Der Kommentator des Domradios meint: „Für den Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der in die jahrelangen Vorarbeiten zum Film einbezogen war, zählt der Gesamteindruck: „Es ist wunderbar, wie der Film das Schicksal dieser ungewöhnlichen Frau zeigt, ihre Kraft, ihre Liebe, ihren Glauben.“ Dass sich die Ordensgemeinschaft mit der Produktion nicht identifizieren könne, müsse man freilich respektieren. Für ihn jedoch sei der Film letztlich „erfunden und doch wahr““. (http://www.domradio.de/nachrichten/2013-04-01/film-ueber-das-bewegte-leben-isa-vermehrens)

Radio Vatikan kommt zur folgenden Einschätzung des ZDF-Films: „Ein weites Herz“ ist ein klassischer ZDF-Feiertagsfilm der unterhält. Die wahren Tiefen, Konflikte und Entwicklungen kann ein 120-minütiger Film sicher nicht gewährleisten. Doch der Film regt an sich mit der Person Isa Vermehren näher auseinanderzusetzen. (http://de.radiovaticana.va/news/2013/04/01/filmtipp:_%E2%80%9Eein_weites_herz_-_das_leben_der_isa_vermehren/ted-678657)

Bei aller begründeten Kritik, weist der Film dennoch und hinlänglich verständlich auf das beeindruckende Lebenszeugnis einer Frau des 20. Jahrhunderts hin, die Gott in ihrem Leben finden durfte. Ein Glaube an den Gott des Lebens, der ihrem Leben einen tiefen Sinn und erfüllende Ausrichtung schenkte.

Paul B. Steffen, SVD

Zitat von Isa Vermehren: „Ich bin misstrauisch vor allem gegenüber Leuten die sagen, sie hätten die Welt im Griff.“

Siehe auch: SCHWESTER ISA VERMEHREN RSCJ. Eine Website der Gesellschaft der Ordensfrauen vom Heiligen Herzen Jesu / Religieuses du Sacré-Coeur de Jésus (RSCJ) http://www.isa-vermehren.de

[asa my_book]3548605168[/asa]
[asa my_book]3499240076[/asa]

Lesermeinungen

Ein Kommentar zu “Isa Vermehren – eine außerordentliche Zeugin des Glaubens im 20. Jahrhundert”

  1. 11. April 2013 22:44

    Vielen Dank für den Beitrag.
    Aus der persönlichen Bekanntschaft mir Sr. Vermehren und der Kenntnis Ihres Denkens habe ich ebenfalls in Lederbriefen öffenrlich gegen diesen unseriösen Spilefilm gewehrt.
    Aufmerksam machne möchte ich auf ihr letztes Werk „Der Mensch – das Kostbarste“ PLöger Medien Annweiler), eine Sammlung ihrer wichtigesten BOtschafte zur Zeitgeschichte.
    Es wäre für die Beurteilung ihrer Persönlichkeit sehr wichtig, daß auch diese PUblikation genannt wird.
    MIt Dank und besten Grüßen
    Elisabeth prégardier

Was sagen Sie dazu?